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Meine Einschätzung zu GEAS

Der Großteil der europäischen Regierungen hat, leider mit Zustimmung Deutschlands, gestern einen Deal in der Asylpolitik abgeschlossen, der auf Abschottung und Abschreckung setzt. Das ist ein sehr bitterer Tag in Europa.

Die Bundesregierung und gerade wir Grüne haben in den letzten Wochen für Verbesserungen gekämpft, insbesondere dafür, Kinder von Grenzverfahren auszunehmen und andere Verbesserungen im Vergleich zum Kommissionsvorschlag zu erwirken. Mit vielen dieser Vorschläge stand die Bundesregierung unter den europäischen Regierungen leider allein auf weiter Flur. Allein das ist ja schon erschreckend. Einzelne Verbesserungen wie beim Verbindungselement (wobei hier genau bei der Ausgestaltung hingeschaut werden muss) und der Situation unbegleiteter Minderjähriger konnten so erreicht werden. Aber insgesamt konnte die Bundesregierung sich mit vielen Anliegen nicht durchsetzen, deshalb verstehe ich auch nicht, warum Nancy Faeser dieses Ergebnis als Erfolg feiert und schönredet. Die Einigung insgesamt wäre ohne den Rechtsruck im vielen Regierungen Europas so nicht möglich und vor nicht allzu langer Zeit noch völlig inakzeptabel gewesen.

Und ja, die jetzige Situation ist für viele Geflüchtete auf dem Weg nach Europa furchtbar bis tödlich und von zahlreichen Menschenrechtsverletzungen geprägt. Lager wie auf Moria sind schreckliche Realität. Regeln und Rechte stehen oft nur noch auf Papier und werden nicht eingehalten oder gar mit illegalen Pushbacks bewusst gebrochen.

Die EU-Staaten an den europäischen Außengrenzen sind schon lange überfordert und werden alleine gelassen. Wir tun nach wie vor viel zu wenig, um Fluchtursachen wie die Klimakrise oder Armut zu bekämpfen, sehr oft sind wir sogar für die Verschärfung verantwortlich.

Gerade angesichts der schwierigen Gesamtsituation sehe ich wirklich auch die Notwendigkeit für ein gemeinsames europäisches System und hätte die Bereitschaft, schwierige Kompromisse mitzutragen, wenn sie für reale Verbesserungen sorgen würden. Ich erkenne auch an, dass das ein schwieriges Dilemma ist und dass sich gerade bei uns Grünen diese Entscheidung niemand einfach macht, unabhängig davon zu welchem Schluss wir kommen.

Es ist zwar ein wichtiger Wert, dass die EU einig ist, aber dies ist nicht unter allen Umständen und um jeden Preis ein Wert an sich.

Die Bundesregierung hat sich mit Ihrer Zustimmung auch über nicht wenige kritische Stimmen aus ihren eigenen Fraktionen im Bundestag und Europäischen Parlament - Grüne wie SPD - hinweggesetzt.

In der Sache finde ich die deutsche Zustimmung so falsch, weil insbesondere die Kombination der restriktiven Maßnahmen in der konkreten Umsetzung schnell dafür sorgen kann, dass das international verbriefte individuelle Recht auf Asyl für sehr große Gruppen, darunter sogar Kinder mit ihren Familien, in der EU überhaupt nicht mehr wirklich wahrgenommen werden kann.

Konkret geht es um die Grenzverfahren mit Masseneinrichtungen, die Frage, ob jemand aus einem Herkunftsland flieht, wo dann gerade „nur“ jeder fünfte Asylantrag Erfolg hat (was ja bei Licht betrachtet nicht wirklich wenig ist) oder die Frage, ob jemand auf seiner Flucht durch ein angeblich relativ sicheres Land gekommen ist und dort bestimmte Voraussetzung erfüllt hat.

Auch wenn unter großen Einschränkungen ein sogenannter Solidaritätsmechanismus zur Aufnahme und Verteilung von geflüchteten Personen in Europa als Ausgleich für die Verschärfungen vereinbart wurde, bleiben angesichts der Verhandlungspositionen vieler eher rechter Regierungen mehr als große Zweifel, ob die Geflüchteten, die dann aufgenommen werden, wirklich schnell eine Bleiberechtsperspektive und echte Integration in den jeweiligen Aufnahmeländern erwarten können.

Abgesehen davon können sich Staaten auch über Zahlungen freikaufen, im schlimmsten Fall über die Finanzierung von Grenzregimen und anderen alles andere als unproblematischen Maßnahmen. Das hat dann mit solidarischer Verteilung und europäischer Verantwortung dann wenig zu tun.

Dass rechte Regierungen, die bisherigen Regeln ignoriert und verletzt haben, die neue Vereinbarung einhalten und human ausgestalten wollen und Verstöße gegen diese auch wirklich geahndet werden, dazu fehlt nicht nur mir der Glaube.

Ich mache mir große Sorgen, wo die Debatte international wie national gerade hinläuft und wie dies gerade die Situation für die Schwächsten in unserer Gesellschaft und auf der Welt nochmal verschlechtert.

Ich hoffe, dass zumindest im anstehenden Trilog zwischen der Kommission, dem Parlament und dem Rat der Europäischen Union noch Verbesserungen, insbesondere für die Kinder, erreicht werden können.