Agnieszka Brugger agnieszka-brugger.de

Reden und Videos

Aktuelle Stunde zu den Vorkommnissen bei der Bundeswehr

26.01.2011

Das Prinzip der Inneren Führung erfordert, genau hinzuschauen!

 

Es gilt das gesprochene Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuallererst möchte ich den Angehörigen der im November ums Leben gekommenen Kadettin und des im Dezember getöteten Hauptgefreiten in Afghanistan mein Mitgefühl aussprechen, und das nicht nur für den Verlust ihrer Lieben. Denn für sie ist auch die derzeitige Debatte mit Sicherheit alles andere als leicht auszuhalten. Ich denke, das sollten wir alle nicht vergessen.

Was genau auf der „Gorch Fock“, bei dem Todesfall in Afghanistan und im Fall der Feldpost geschehen ist, wird und muss noch eine Frage von weiteren Untersuchungen sein. Wahrscheinlich ist, dass diese Ereignisse nicht für die ganze Bundeswehr stehen. Es geht heute auch nicht darum, die Details der Vorfälle zu diskutieren und Urteile zu sprechen. Die Aufklärung dieser Ereignisse muss zeitnah und schnell, gründlich und ohne Vorverurteilung, aber auch ohne falsche Rücksichtnahme in den kommenden Wochen geschehen.

Im Zentrum steht heute aber die Frage, wie das Verteidigungsministerium, wie Sie, Herr Minister zu Guttenberg, mit diesen Ereignissen umgegangen sind und was diese Vorfälle für die Bundeswehr bedeuten.

Dabei geht es im Kern der Debatte um die Realität der Inneren Führung. „Gorch Fock“, der Todesfall in Afghanistan und die Feldpost: Über diese drei Ereignisse wurde das Parlament nicht durch die politische oder militärische Führung der Bundeswehr informiert. Der Wehrbeauftragte hat diese Missstände aufgedeckt und öffentlich gemacht. Dieser Weg, auf dem die Informationen ins Parlament und in die Öffentlichkeit gelangt sind, ist ein Armutszeugnis für Sie, Herr Minister zu Guttenberg.

Das Prinzip der Inneren Führung erfordert, genau hinzuschauen. Das heißt, man muss wissen, was in der Truppe los ist. Doch die Ereignisse auf der „Gorch Fock“ im November 2010 wurden Ihnen erst in der letzten Woche durch den Wehrbeauftragten in dieser Dringlichkeit und Priorität zugetragen.

Dass es nach dem Tod der Kadettin Probleme gab, war aber schon im Dezember des letzten Jahres Thema im Verteidigungsausschuss. Auch im Fall des am 17. Dezember 2010 in Pol-i Khomri ums Leben gekommenen Hauptgefreiten schienen Sie, Herr Minister, es nicht für nötig gehalten zu haben, sich umgehend zu informieren. Der Special Investigations Report wurde laut Ihrer eigenen Presseerklärung bereits nach zehn Tagen fertiggestellt. Am 21. Januar, fast einen Monat später, haben Sie dem ARD-Morgenmagazin gesagt, Sie hätten den Feldjägerbericht in den letzten Tagen bekommen.

Sie sollten weder im Ausschuss noch hier Pappkameraden aufstellen, auf die Sie schießen können. Denn niemand von uns hat Ihnen gesagt, Sie müssten jeden Feldjägerbericht lesen. Ich erinnere nur an Ihren ehemaligen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und an den ehemaligen Staatssekretär Dr. Wichert, die gehen mussten, weil sie Ihnen einen Feldjägerbericht nicht vorgelegt haben. Tun Sie nicht so, als ob ein Feldjägerbericht, in dem es um den Tod eines Soldaten geht, ein x-beliebiger Bericht wäre.

Mit der Inneren Führung untrennbar verknüpft ist das Prinzip der Bundeswehr als Parlamentsarmee. Daraus folgt, dass die politische und militärische Führung eine Informationspflicht gegenüber dem Parlament hat.

Statt dem Parlament mitzuteilen, was Sie über den Tod des Hauptgefreiten in Afghanistan wissen und welche Maßnahmen Sie im Fall der „Gorch Fock“ angewiesen haben, rennen Sie einmal mehr zuallererst zu den Medien.

Der Wehrbeauftragte schreibt in seinem gestern vorgestellten Bericht von dem verlorengegangenen Vertrauen der Soldatinnen und Soldaten. Diese „verweisen darauf, dass zahlreiche Mängel und Defizite immer wieder gemeldet und seit Jahren bekannt seien, ohne dass sich eine Besserung abzeichne.“ Zu diesen Mängeln gehören auch Probleme beim Führungsverhalten und bei der Ausbildung. Das hat Hellmut Königshaus gestern berichtet; das stand aber auch schon im letzten Jahresbericht des damaligen Wehrbeauftragten Reinhold Robbe.

Heute kann noch keine abschließende Aussage zu den beiden Vorfällen auf der „Gorch Fock“ und in Pol-i Khomri gemacht werden. Aber es deutet vieles darauf hin, dass wir uns die Frage stellen müssen, was diese Ereignisse für die Realität der Inneren Führung in der Bundeswehr bedeuten.

Grundsätzlich gilt: Einsätze wie in Afghanistan und die tiefgreifende Bundeswehrreform haben auch Auswirkungen auf die Innere Führung. Daher muss über die Weiterentwicklung der Inneren Führung fortwährend und intensiv diskutiert werden mit der Bundeswehr, in der Politik und in der gesamten Gesellschaft.

Herr Minister, dabei erwarten wir von Ihnen mehr, als jenen, die Kritik äußern, per Pressemitteilung „bemerkenswerte Ahnungslosigkeit“ vorzuwerfen; denn ein solches Verhalten ist nicht nur eine Frechheit, sondern fällt auch auf Sie zurück, weil eigentlich Sie es sind, der bei diesen drei Vorgängen bemerkenswert ahnungslos war.

Vielen Dank.