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Rede zum Antrag für mehr Gerechtigkeit bei der Entschädigung von Einsatzunfällen

 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Rede mit der Schilderung eines Schicksals beginnen, das auf einem wahren Fall beruht, der Geschichte einer Soldatin, die in ihren Einsätzen im Kosovo Ende der 90er-Jahre und Anfang 2000 Traumatisches erlebt hat und heute unter einer schweren Posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Der Einsatzunfall hat sie völlig aus dem Leben gerissen, und auf ihrem Leidensweg fühlt sie sich alleingelassen. Anders als ein Kamerad, der 2009 in Afghanistan Ähnliches durchgemacht hat und unter den gleichen Symptomen leidet, bekommt sie keine einmalige Entschädigungszahlung, obwohl auch sie dauerhaft arbeitsunfähig ist. Denn momentan bekommen nur Menschen, die nach dem Stichtag im Jahre 2002 in einem oder durch einen Einsatz versehrt wurden und dauerhaft zu über 50 Prozent erwerbsunfähig sind, eine einmalige Unfallentschädigung von 150 000 Euro; Witwen und Witwer oder Kinder von getöteten Soldatinnen und Soldaten erhalten 100 000 Euro.

Die Bundeswehr ist seit Anfang der 90er-Jahre an internationalen Missionen beteiligt. Doch aufgrund des willkürlich festgelegten Stichtags im Jahr 2002 erhalten Soldatinnen und Soldaten, die unter einer Einsatzschädigung aus den Einsätzen beispielsweise in Kambodscha oder im ehemaligen Jugoslawien leiden, nach der derzeitigen Regelung keine finanzielle Entschädigung. Das Gleiche gilt für die Beamtinnen und Beamten, die im Auslandseinsatz waren; ich will sie an dieser Stelle explizit erwähnen, weil sie oft aus dem Fokus geraten.

Meine Damen und Herren, wir sprechen hier von einem Betrag, der für die Betroffenen immense Symbolkraft hat und der auch dafür steht, ob sich der Staat, der sie in einen Auslandseinsatz geschickt hat, für ihr körperliches und seelisches Wohl verantwortlich fühlt.

Es geht ihnen oft in erster Linie nicht um die finanzielle Leistung, sondern vor allem um Wahrnehmung und Anerkennung. Die jetzige Stichtagsregelung ist daher eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von Menschen, die bei Einsätzen der Bundeswehr körperlich und/oder psychisch schwer versehrt wurden. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen auch von der Koalition, kann nicht in unser aller Sinne sein.

Das Verteidigungsministerium als Dienstherr und das Parlament haben an dieser Stelle eine besondere Verantwortung und eine Fürsorgepflicht. Denn egal wie man zu bestimmten Auslandseinsätzen steht oder ob man sie, wie die Linke, gar generell ablehnt, wir alle hier haben eine Verantwortung für die Menschen, die das Parlament mit seiner Mehrheit in einen gefährlichen Einsatz entsendet und die im schlimmsten Fall geschädigt zurückkehren.

Seit 2004 gab es genau drei Anläufe, die gesetzlichen Regelungen zur Entschädigung von Einsatzunfällen zu ändern. Gerade das Parlament hat insbesondere in der letzten Legislaturperiode über die Fraktionsgrenzen hinweg viele Verbesserungen durchgesetzt. Das haben wir gemeinsam, also alle hier vertretenen Fraktionen, auf den Weg gebracht, an einigen Punkten auch gegen den Widerstand aus der Regierung. Das waren sehr wichtige Änderungen.

Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, warum Menschen, die bei einem Einsatz der Bundeswehr erheblich geschädigt wurden, nur deshalb keine Entschädigung erhalten sollen, weil die Schädigung vor irgendeinem Stichtag erfolgt ist. Das Gleiche gilt für die Hinterbliebenen von im Einsatz gestorbenen Soldatinnen und Soldaten.

Wir Grüne haben die willkürliche und ungerechte Stichtagsregelung schon bei den Beratungen zum Einsatzversorgungsverbesserungsgesetz im Jahr 2011 kritisiert. Nun hat auch das Ministerium das endlich erkannt, und Frau Ministerin von der Leyen hat angekündigt, dass sie im Rahmen des Artikelgesetzes zur Steigerung der Attraktivität den Stichtag auf den 1. Juli 1992 zurückdatieren will. Das ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, und der Kreis der Betroffenen wird dadurch auch vergrößert, aber nach wie vor ist es ein willkürlich gewählter Stichtag. Wir fragen uns schon, wo dieses Gesetz eigentlich bleibt, das ursprünglich für September angekündigt war.

Wann ist der Leidensweg der Betroffenen endlich zu Ende, sodass sie nach vorne schauen können? Denn die ewige Warterei ist für die betroffenen Menschen eine Zumutung.

Wir Grüne sind der Auffassung, dass jeder Mensch, der im Auftrag der Bundeswehr im Einsatz versehrt wurde, das Recht hat, eine angemessene Entschädigung zu erhalten, Stichtag hin oder her. Ebenso sollte es keine Rolle spielen, ob die betroffenen Soldatinnen und Soldaten aktiven Dienst leisten oder Reservistinnen und Reservisten sind. Genau das fordern wir heute mit unserem Antrag: Die uneingeschränkte Fürsorgepflicht des Dienstherrn, sie muss unabhängig von Stichtag und Status sein.

Das Leid des einen sollte nicht mehr wiegen als das Leid der anderen. Deshalb hoffen wir, meine Damen und Herren von der Koalition, dass Sie diese Idee nicht einfach vom Tisch wischen, nur weil sie von der Opposition kommt. Wir laden Sie ein: Lassen Sie uns diese Ungerechtigkeit gemeinsam beseitigen! Wir bieten Ihnen gerne an, aus unserem Antrag eine interfraktionelle Initiative zu machen; denn das sind wir den Angehörigen der Parlamentsarmee Bundeswehr schuldig.