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Rede zum Bundeswehreinsatz EUNAVOR MED

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach Angaben der Vereinten Nationen war 2016 mit über 5 000 Menschen, die vor den Toren Europas ertrunken sind, das tödlichste Jahr im Mittelmeer. Wenn der Kollege Liebich hier um einen kurzen Gedenkmoment bittet, dann ist das, finde ich, eigentlich kein Moment, wo man quatscht und lacht, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

Die Tragödie wäre noch weitaus größer, wenn nicht Soldatinnen und Soldaten, zivile Seenotrettungsinitiativen und auch Handelsschiffe Zehntausenden von Menschen das Leben gerettet hätten. Ihnen allen kann man nur von Herzen danken.

Unter sehr schwierigen, sehr belastenden Bedingungen zeigen sie mit ihrem selbstlosen Einsatz den humanitären Geist und die Verantwortung, die viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit ihrer Abschreckungs- und Abschottungspolitik nur allzu oft vermissen lassen. Trotz der beeindruckenden Rettungsleistung ist auch die Mission EUNAVFOR MED, über die wir heute hier diskutieren, ein Baustein dieser falschen Politik. Nach wie vor ist die Hauptaufgabe nämlich die gefährliche militärische Schlepperbekämpfung, und nach wie vor hält die Bundesregierung, halten die europäischen Mitgliedstaaten an den Plänen fest, sobald es irgendwie geht, auch an Land dann gegen die Schlepper in Libyen vorzugehen. 

Ja, viele Schlepper nutzen die verzweifelte Notlage der Geflüchteten grausam aus. Wenn man ihnen die Geschäftsgrundlage aber wirklich wirksam entziehen will, dann braucht es doch nicht militärische Antworten, sondern eher polizeiliche und vor allem aber auch sichere und legale Fluchtwege. 

Dann soll die Mission auch noch die libysche Küstenwache ausbilden. Es ist immer ein großes Risiko, wenn es darum geht, in einem Land, in dem politische Kontrolle, politische Führung fehlen, Sicherheitskräfte auszubilden. Es gibt doch die Berichte der Nichtregierungsorganisationen, die ganz klar sagen, dass ein Teil der Küstenwache auch ein Teil des Problems ist und mit den Schleppern zusammenarbeitet. Dazu hört man von der Bundesregierung nichts. Gerade läuft über die dpa-Ticker, dass Sie für den nächsten Ausbildungsdurchgang keine verlässlichen Partner für die Ausbildung finden. Das ist doch auch ein Zeichen dafür, dass der Baustein dieses Mandats alles andere als unproblematisch ist.

Als dritte Aufgabe soll die Mission die Aufgabe haben, Waffenschmuggel zu unterbinden. Das ist theoretisch auch sinnvoll, doch wenn einige Mitgliedstaaten wie Italien ihre eigene Agenda verfolgen, dann ist auch dieser Auftrag am Ende nicht wirkungsvoll und sinnlos. 

Mit dem neuen Mandat kommt ein vierter Auftrag hinzu: die Kooperation mit der NATO-Mission Sea Guardian. Wo man auch sagen muss: Mit Mandatsklarheit hat das am Ende nicht mehr viel zu tun.

Es ist ein Mandat mit vier problematischen Aufträgen. Erfolgreich ist es vor allem bei einer Aufgabe, die im Mandat eben nur nebenbei als völkerrechtliche Verpflichtung aufgeführt ist und angesichts der anderen, problematischen Aufgaben auch in den Hintergrund zu geraten droht. Ja, über 30 000 Menschen sind aus Seenot gerettet worden. Gemessen am dramatischen Sterben im Mittelmehr ist das aber zu wenig. Es können und es müssen mehr Menschen gerettet werden. Dafür bräuchte es aber eine flächendeckende, eine funktionierende und vor allem eine langfristig finanzierte europäische Seenotrettung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch schon beschämend, dass private Seenotrettungsinitiativen dieses Versagen der europäische Mitgliedstaaten auffangen müssen. Wenn nun aber der Chef von Frontex, wenn Abgeordnete aus der Union im Bundestag, im Europäischen Parlament den Retterinnen und Rettern vorwerfen, dass sie das Geschäft der Schlepper betreiben, dass sie Beihilfe dazu leisten, Menschenleben zu gefährden, wenn der österreichische Außenminister Sebastian Kurz gar fordert, dass der NGO-Wahnsinn im Mittelmeer beendet werden muss, dann ist das mehr als blanker Zynismus. 

Diese Haltung hat auch nichts mehr mit Menschlichkeit und mit Verantwortung zu tun; sie ist ethisch und völkerrechtlich hochproblematisch und unhaltbar.

Diese Aussage entbehrt vor allem auch jeder empirischen Grundlage. Es gibt mittlerweile eine Reihe von wissenschaftlichen Analysen der Zahlen, die glasklar widerlegen, dass es einen solchen Effekt gibt. Zur Lektüre empfehle ich die jüngste Studie aus Oxford. Die Menschen, die sich hier engagieren, verdienen nicht wahrheitswidrige Beleidigungen und Beschimpfungen, sondern sie verdienen unseren Dank und nochmals unseren Dank.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, statt dass die Bundesregierung dieses Mandat endlich ehrlich und kritisch überprüft und ihre Abschottungspolitik beendet, die ja auch wirkungslos ist, die die eigenen Ziele nicht erreicht. Herr Gabriel, wenn Sie das wirklich ernst meinen - mit vielem, was Sie gesagt haben, haben Sie recht; die Zustände in den Lagern in Libyen sind grauenerregend -, dann erwarte ich schon von der Bundesregierung, dass Sie hier nicht nur stehen und schöne Reden halten, sondern dass Sie das auch wahrmachen und im Kabinett durchsetzen. Es ist Ihr Kollege Thomas de Maizière, der Innenminister, der immer wieder die Idee mit den Lagern in Libyen, mit dem Zurückbringen der Flüchtlinge ins Gespräch bringt. Sorgen Sie dafür, dass damit ein für alle Mal Schluss ist und dass die Bundesregierung hier eine klare Haltung hat.

Sorgen Sie auch dafür, dass die Diskussionen, einen ähnlich dreckigen Deal wie mit der Türkei zu machen, endlich vom Tisch kommen, und dafür, dass es bei der Grenzsicherung keine Kooperation mit Libyen gibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es passt einfach nicht zusammen, hier nur schöne Reden zu halten und die Toten im Mittelmeer zu beklagen und gleichzeitig eine solche falsche Politik und solche zynischen Pläne fortzusetzen. Was es stattdessen braucht, sind legale und sichere Fluchtwege, eine engagierte Bekämpfung der Fluchtursachen, vor allem eine effektive zivile europäische Seenotrettung.

Vielen Dank.