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Rede zum Bundeswehrmandat EUNAVFOR MED

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ob das der Marinesoldat der Mission EUNAVFOR MED ist oder ein Ehrenamtlicher, der sich auf einem Schiff von Sea-Watch befindet, das mit Spendengeldern finanziert wurde - wir sind jedem Menschen dankbar, der in den letzten Monaten dazu beigetragen hat, dass weniger Menschen auf dramatische Weise im Mittelmeer ertrinken müssen.

Eine Reihe von uns Abgeordneten hatte letztes Jahr zusammen mit der Verteidigungsministerin die Gelegenheit, die Mittelmeermission der Bundeswehr zu besuchen.

Ich muss wirklich sagen: Ich habe selten Soldatinnen und Soldaten gesehen, die unter so hohen physischen und psychischen Belastungen so überzeugt von einem Auftrag waren. Mir hat erst neulich jemand, der mehrere Monate im Einsatz war, erzählt, dass man teilweise nach 14 Stunden den Befehl erteilen musste, wenigstens kurz eine Pause zur Erholung zu machen. Dass aber die Bundeswehr und auch private Initiativen im Mittelmeer Seenotrettung betreiben, ist schon Ausdruck dessen, dass die europäischen Mitgliedstaaten dabei versagt haben, eine funktionierende, effektive und zivile Seenotrettung auf den Weg zu bringen. Darüber haben wir in der Debatte davor diskutiert.

Seenotrettung ist für jedes Schiff eine internationale Verpflichtung. Das sollte aber nicht den Blick auf das verstellen, was der Kernauftrag der Mission EUNAVFOR MED ist, nämlich die militärische Schlepperbekämpfung. Nach wie vor treiben die Bundesregierung und die anderen europäischen Mitgliedstaaten die Ausweitung dieses Mandats voran, um auch in den libyschen Küstengewässern und in Libyen an Land militärisch gegen Schlepper operieren zu können. Wir halten das für die falsche Antwort auf die Dramen im Mittelmeer. Es ist gefährlich, es ist riskant, und es hilft den Flüchtlingen nicht, sondern gefährdet sie nur noch mehr. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Natürlich treiben viele Schlepper ein sehr grausames Geschäft mit dem Leid der Flüchtlinge. Aber wenn Sie das wirklich abstellen wollen, und zwar effektiv, dann geht es um polizeiliche Maßnahmen, dann geht es um legale und sichere Einwanderungswege, um den Schleppern die Geschäftsgrundlage kaputtzumachen.

Die Bundesregierung bringt jetzt ein neues Mandat auf den Weg. Das ist aus zwei Gründen notwendig; denn es gibt erweiterte Aufgaben. Es geht einerseits darum, den Waffenschmuggel über den Seeweg zu unterbinden. Das kann vielleicht den positiven Effekt haben, den Waffenstrom nach Libyen, der natürlich ein riesiges Problem ist, einzudämmen. Aber dieser Effekt ist begrenzt, weil die meisten Waffen über den Landweg nach Libyen kommen.

Viel problematischer aber ist die zweite Veränderung des Mandats, bei der es um die Ausbildung der libyschen Küstenwache geht. Seit Wochen fragen wir die Bundesregierung: Wer genau soll ausgebildet werden? Wo soll das stattfinden? Wie sieht der genaue Auftrag aus? Welche Geräte und welche Ausrüstung wollen Sie zur Verfügung stellen? Wie ist eigentlich sichergestellt, dass die Milizenstrukturen in irgendeiner Form der Kontrolle durch die Regierung unterliegen? - Seit Wochen hat die Bundesregierung dazu keine Antwort.

Sie jagen hier ein Mandat durch das Parlament, sind dabei aber selber völlig plan- und kopflos in Bezug auf das, was Sie wollen. Sie wollen von uns einen Blankoscheck für eine Operation, die sich am Ende des Tages im Konkreten in dieser höchst fragilen Lage in Libyen als sehr kontraproduktiv und gefährlich erweisen kann. Da muss ich sagen: Das ist keine verantwortungsvolle Sicherheitspolitik.

Gerade Libyen ist doch ein klassisches Beispiel dafür, wie undurchdachter Aktivismus von außen sehr schnell verheerende, natürlich nicht intendierte Folgen haben kann.

Mir macht es große Sorgen, dass der Bundesregierung angesichts der dramatischen Lage in Libyen selbst und der schrecklichen Situation der Flüchtlinge dort nicht mehr einfällt als eine Militärmission und ein dreckiger Deal, der in die Richtung dessen geht, was Sie mit der Türkei vereinbart haben; so haben sich Bundeskanzlerin Merkel und Innenminister de Maizière schon geäußert. Ich frage Sie: Wo ist eigentlich Ihre kluge, Ihre humanitäre Antwort auf die Lage der Menschen, die dort in den Flüchtlingslagern eingepfercht sind? Wir hören von Menschenrechtsverletzungen, von Menschen, die sterben. Flüchtlinge dürfen diese Lager nicht verlassen, sind dort eingepfercht, verhungern teilweise. Wir reden hier von 500 000 Menschen in einem Land, in dem teilweise Bürgerkrieg herrscht.

Ich muss es so hart und zynisch sagen: Die Frage ist doch nicht, wo die Menschen ihr Leben riskieren und verlieren - in den Flüchtlingslagern in Libyen, in den Haftanstalten oder im Mittelmeer. Es muss doch vielmehr darum gehen, wie wir ihr Leid lindern und Stabilisierung in Libyen erreichen können.

An dieser Stelle muss man sagen: Da hilft Ihre Abschottungs- und Abschreckungspolitik nicht. Sie verbessert weder die Situation in Libyen, noch hilft sie den Flüchtlingen. Sie müssen stattdessen humanitäre und sicherheitspolitisch verantwortungsvolle Antworten für die Menschen in Libyen und für die Flüchtlinge in Libyen auf den Weg bringen.