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Reden und Videos

Rede zur Debatte über Sicherheitspolitik

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

„Deutschlands Zukunft gestalten“ ‑ diesen Titel und diesen Anspruch haben Union und SPD ihrem Koalitionsvertrag gegeben. Im außen- und sicherheitspolitischen Teil reihen sie dabei häufig Allgemeinplätze aneinander, aber eine klare Richtung ist nicht wirklich erkennbar. Die Diskussion darüber hat Kollege Arnold gerade eingefordert, und das begrüßen wir als Grüne sehr.

Aus Oppositionssicht muss man Ihnen wirklich zugestehen, dass nicht alles schlecht ist, worauf Sie sich einigen konnten. Sie haben zum Beispiel endlich erkannt, dass es bei der Bundeswehrreform Nachbesserungen geben muss.

Zwar sind Herr Außenminister Steinmeier und Sie, Frau Ministerin von der Leyen, noch nicht sehr lange in Ihren Ämtern, dafür waren Sie medial aber umso präsenter. Leider erfahren wir dadurch noch nicht wirklich etwas über die neuen Linien und Ziele der schwarz-roten Außen- und Sicherheitspolitik. Im Gegenteil: Sie verheddern sich in Widersprüchen. Wo es im Ganzen hingehen soll, bleibt weiterhin völlig offen. Besonders deutlich wird dies in der aktuellen Debatte über eine mögliche deutsche Unterstützung der geplanten europäischen Mission in der Zentralafrikanischen Republik und bei der Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Mali. Die Ministerin von der Leyen prescht plötzlich vor und kündigt an, es sei vorbei mit der Kultur der militärischen Zurückhaltung in Deutschland.

Daraufhin rudert der Außenminister zurück, und es hagelt Kritik aus der SPD-Bundestagsfraktion. Ich finde, eine besonnene und abgestimmte Außen- und Sicherheitspolitik sieht anders aus.

An dieser Stelle rächt sich auch der größte Geburtsfehler der Bundeswehrreform, nämlich das Versäumnis, zu Beginn mit der Öffentlichkeit und im Parlament eine fundierte Debatte über zukünftige Sicherheitsbedrohungen und die Frage, welche Aufgaben man daraus für die Bundeswehr ableitet, zu führen.

Frau Ministerin von der Leyen, in einem Interview im aktuellen Spiegel geben Sie zu verstehen, Deutschland müsse sich jetzt ganz schnell stärker militärisch in Afrika engagieren. Manchmal hat man den Eindruck, dass Sie über diesen riesigen Kontinent reden, als würde es sich dabei um ein einziges Land handeln. Ich war verwundert, dass Sie die Gewalteskalation im Südsudan, wo mittlerweile schätzungsweise zehntausend Menschen gestorben sind, in diesem Interview nicht erwähnt haben, und das, obwohl die deutsche Bundeswehr an einer Mission der Vereinten Nationen im Südsudan beteiligt ist.

Meine Damen und Herren, jeder der 54 afrikanischen Staaten hat eine lange Geschichte, komplexe gesellschaftliche Strukturen und eine ganz eigene politische Dynamik. Nicht überall herrschen Krieg und Elend. Die Konflikte sind vielschichtig, in ihren Ursachen genauso wie hinsichtlich ihrer Akteure. Natürlich dürfen wir in Europa nicht nur zuschauen, wenn in Afrika Gewalt auszubrechen droht, wenn Krisen sich verschärfen oder die Zivilbevölkerung leidet. Hier ist aber in erster Linie der frühzeitige Einsatz ziviler, entwicklungspolitischer und diplomatischer Mittel gefragt und auch gut durchdachte Strategien, die sich spezifisch mit den einzelnen Konflikten und ihren Ursachen auseinandersetzen.

Frau Ministerin, Sie verweisen zur Rechtfertigung des geplanten Afrika-Engagements auch noch auf die schrecklichen Bilder von Lampedusa. Ich finde, die Antwort auf diese Flüchtlingskatastrophe ist nicht, mehr Militär nach Afrika zu entsenden. Diesbezüglich und nicht hinsichtlich der militärischen Zurückhaltung wäre ein Kurswechsel dringend angesagt; denn statt Abschottung brauchen wir endlich eine solidarische und europäische Flüchtlingspolitik.

Der Einsatz der Bundeswehr erfordert in jedem Einzelfall eine Einbettung in eine politische Gesamtstrategie, die die Konfliktursachen berücksichtigt, eine sorgfältige Prüfung der Risiken und Gefahren und eine klare Definition der Ziele. Sagen Sie uns doch endlich einmal konkret, welche Antworten und Beiträge Sie sich für die Missionen in Mali und in der Zentralafrikanischen Republik vorstellen.

Dann werden wir Grüne ‑ wie immer ‑ die vorgelegten Mandate genau und kritisch prüfen. Doch einer Politik, die planlos die Ausweitung von Militäreinsätzen fordert, werden wir entschieden entgegentreten.

Meine Damen und Herren, zu einer verantwortungsvollen Außen- und Sicherheitspolitik gehört ganz besonders, dass man Konflikte nicht dadurch verschärft, dass man deutsche Waffen in alle Welt exportiert. Gerade die Verbreitung von Kleinwaffen sorgt in Afrikas Konflikten für noch blutigere Gewalt und noch mehr Gräueltaten. Es muss endlich Schluss sein mit Rüstungsexporten in Staaten, die in Krisenregionen liegen oder wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden.

In der Vergangenheit hat die SPD den Merkel-Kurs bei Rüstungsexporten und auch das zynische Motto dahinter ‑ Ertüchtigung statt Einmischung ‑ massiv kritisiert. Heute erst beklagte sich Sigmar Gabriel, dass man sich in den Koalitionsverhandlungen nicht habe durchsetzen können. Wenn nun alles so weiterlaufen soll wie bisher, dann ist das, wie ich finde, nicht nur unverantwortlich, sondern eine brandgefährliche Strategie. Auch hier wäre ein Kurswechsel geboten, und zwar ein radikaler.

Frau Ministerin, vielleicht wäre es nicht schlecht, in den nächsten Wochen ein paar Interviewüberschriften weniger zu produzieren und noch einmal über die Ideen, die Ziele, die konkreten Konzepte und eine stimmige Strategie nachzudenken und zu diskutieren, um dem selbst gesetzten Anspruch „Zukunft zu gestalten“ gerecht werden zu können und um für eine Politik für mehr Frieden und mehr Sicherheit einzutreten.

Vielen Dank.