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Reden und Videos
Rede zur dritten Lesung des Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetzes
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist ein Erfolg, ein Erfolg für die Betroffenen, für ihre Angehörigen und auch für die Verbände. Diese haben in den vergangenen Jahren mit Leidenschaft und Herzblut verschiedenste Formen der Selbsthilfe aufgebaut. Aber Selbsthilfe kann und darf kein Ersatz für gute und verlässliche Rahmenbedingungen sein.
Sie haben mit Nachdruck und mit sehr viel Ausdauer für Verbesserungen bei der Einsatzversorgung geworben. Dafür gilt ihnen Dank und Respekt.
Dieses Gesetz ist aber auch ein Erfolg für das Parlament. Lange haben die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker dieses Hauses beim Bundesministerium der Verteidigung Verbesserungen eingefordert. Es hat viel Zeit und auch viel Überzeugungskraft gekostet, bis dieser Gesetzentwurf schließlich vorgelegt wurde. Dies zeigt deutlich, dass es sich lohnt, beim Bohren besonders dicker Bretter a) hartnäckig zu bleiben und b) gemeinsam zu streiten. Deshalb ein Dank an die Kolleginnen und Kollegen für die konstruktive Zusammenarbeit!
Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf wies allerdings erhebliche Lücken auf. Die Erleichterung bei der Beweislast und die Absenkung des für Ansprüche notwendigen Schädigungsgrades im Einsatz-Weiterverwendungsgesetz wurden zunächst als nicht machbar dargestellt. Insbesondere für jene Soldatinnen und Soldaten, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden, hätte das Gesetz in der von der Bundesregierung beschlossenen Form die darin gesetzten Hoffnungen zerschlagen. Hier wurde durch die Verbände sowie die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker weiter Druck gemacht ‑ und das mit Erfolg, wie der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen im Ausschuss zeigt.
Doch auch dieser Änderungsantrag hat noch nicht alle Lücken des Gesetzes geschlossen. Auch in Bezug auf die fehlende Stichtagsregelung für Einmalzahlungen nach einem Einsatzunfall hat sich gezeigt, dass Ausdauer eine wichtige Tugend für die Arbeit im Bundestag ist.
Mit dem ursprünglichen Gesetzentwurf wären zwei Klassen von Betroffenen geschaffen worden: jene, die ihre Ansprüche vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes geltend gemacht haben, und jene, die nach seinem Inkrafttreten eine Entschädigung beantragen. Für die gleiche Verletzung, den gleichen Verlust wären unterschiedliche Beträge ausgezahlt worden ‑ eine Ungleichbehandlung, für die es keine Rechtfertigung geben kann.
In der Diskussion im Verteidigungsausschuss in der vergangenen Woche mussten wir den Handlungsbedarf mit einem grün-roten Änderungsantrag noch einmal mit Nachdruck deutlich machen. Ich bin sehr froh und sehr dankbar, dass wir uns nun doch auf den vorliegenden gemeinsamen Entschließungsantrag einigen konnten. An dieser Stelle muss ich dem Kollegen Koch widersprechen; denn dieser Entschließungsantrag bringt sehr deutlich zum Ausdruck, dass wir eine Rückdatierung wollen. Wir werden allerdings sehr genau darauf achten ‑ dabei schaue ich sehr bewusst nicht in die Reihen des Parlaments, sondern zur Regierungsbank ‑, dass die Umsetzung wirklich zeitnah und schnell angegangen wird.
Wenn wir Soldatinnen und Soldaten sowie zivile Kräfte in den Einsatz zur Konfliktlösung entsenden, haben wir eine besondere Fürsorgepflicht für sie. Eine angemessene finanzielle Unterstützung und Entschädigung bei bleibenden körperlichen und seelischen Schäden sind nur eine Seite unserer Fürsorgepflicht. Die andere Seite ist die Art unseres Umgangs mit den Betroffenen. Dabei spielt die Bundeswehr selbst eine ganz zentrale Rolle. Vor allem die seelisch Versehrten müssen immer wieder die Erfahrung machen, dass der eigene Dienstherr seine Fürsorgepflicht vor allem als einen aufwendigen bürokratischen Verwaltungsakt gestaltet hat. Schnelle Hilfe, selbstverständliche und durchdachte Unterstützung, das vermissen leider noch viel zu viele der Betroffenen.
Außerdem vermissen sie die Bereitschaft zu wohlwollenden Entscheidungen. Wir Mitglieder des Verteidigungsausschusses haben in den letzten Jahren immer wieder von Schicksalen von Soldatinnen und Soldaten gehört und sie manchmal auch miterlebt, die sich in langwierigen Verfahren mit der Bundeswehrverwaltung über Ansprüche streiten und am Ende sogar nur noch den Rechtsweg gehen können. Für die Betroffenen sind diese Unsicherheiten furchtbar. Diese stehen auch einer erfolgreichen Therapie im Weg. Meine Damen und Herren, da läuft etwas gewaltig schief.
Darum sind mit diesem Gesetzentwurf noch lange nicht alle Probleme im Bereich der Einsatzversorgung gelöst. Nicht nur der gesetzliche Rahmen, sondern auch die Verfahren bedürfen einer Überarbeitung. Sie müssen an ihren Gegenstand angepasst werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass Verfahrensschritte dahin gehend überprüft werden müssen, ob sie wirklich notwendig sind und ob sie zur Klärung beitragen.
Die Verfahren müssen einem eindeutigen Weg folgen. Ihre Dauer muss verkürzt werden.
Es ist Aufgabe des Bundestags, darauf zu achten, dass das Wort „Fürsorge“ in der Parlamentsarmee nicht nur eine Leerformel, sondern ein handlungsleitendes Prinzip ist. Wir müssen sicherstellen, dass die Betroffenen schnelle Hilfe bekommen und dass sie die Gewährung dieser Hilfe nicht als ein mühsam erkämpftes Recht, sondern als eine Selbstverständlichkeit empfinden können.
Für einige der Betroffenen kommt dieser Gesetzentwurf leider zu spät. Die teils jahrelange Auseinandersetzung mit dem Dienstherrn hat das Verhältnis zur Bundeswehr schwer belastet und auch zu einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geführt. Eine Reintegration in die Gesellschaft wird für sie immer schwieriger. Ich bedauere das zutiefst. Das macht deutlich, dass Zeit eine entscheidende Rolle spielt und Handeln nicht auf die lange Bank geschoben werden darf.
Ich erwarte von der Bundesregierung, dass die Lösung der Verfahrensprobleme sich nicht abermals über Monate oder gar Jahre hinzieht. Deshalb muss man aktiv handeln, die Probleme ehrlich benennen und zügig angehen. Die grüne Bundestagsfraktion wird sich weiter mit Nachdruck dafür einsetzen, dass endlich eine grundlegende Verbesserung der Verfahren erfolgt.
Vielen Dank.