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Rede zur Entschädigung von Radargeschädigten

 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Es ist gut und richtig, dass dieser interfraktionelle Antrag heute vorliegt. Sicherlich kann er nur ein Kompromiss sein. Deshalb, Herr Kollege Koch, haben wir unsere ursprünglichen Anträge für erledigt erklärt, um das an dieser Stelle klarzustellen. Wir konnten uns in unserem interfraktionellen Antrag auf wichtige gemeinsame Forderungen an die Bundesregierung einigen. Dazu gehört vor allem der Prüfauftrag zur Einrichtung einer Stiftung zur Unterstützung der radargeschädigten ehemaligen Soldaten und eines unabhängigen Expertengremiums für Streitfälle. Einig sind wir uns aber nicht in der Bewertung der bisherigen Entschädigungspraxis. Wir haben eine besondere Verantwortung für die Parlamentsarmee. Diese besteht auch in der Verpflichtung zur Fürsorge für die Soldatinnen und Soldaten. Das gilt nicht nur für die Gegenwart und die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit. Die durch Radarstrahlen geschädigten Soldaten haben diese Fürsorge bisher nur unzureichend erfahren. Dies gilt auch für die ehemaligen Soldaten der NVA. Hier müssen wir dringend Abhilfe schaffen. Es war schon einige Überzeugungskraft notwendig, um die Koalitionsfraktionen von diesem Handlungsbedarf zu überzeugen. Das Verfahren ist an der einen oder anderen Stelle leider unnötigerweise ins Stocken geraten. Erst nachdem die Oppositionsfraktionen jeweils Anträge eingereicht haben, haben sie sich bewegt. Allein in dieser Legislaturperiode haben wir nun zwei Jahre gebraucht, um diesen Kompromiss zu erzielen. Insgesamt wurde auf diese Art und Weise zu viel Zeit vertan, Zeit, in der sich die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und der NVA und ihre Angehörigen von Dienstherr und Politik alleine gelassen gefühlt haben.

 

Es ist zehn Jahre her, dass sich der Verteidigungsausschuss erstmals intensiv mit dem sogenannten Radarproblem auseinandergesetzt hat. Ehemalige Soldaten der Bundeswehr, aber auch der NVA waren bis in die 80er- Jahre hinein unzureichend geschützt an Geräten eingesetzt, von denen eine gesundheitsschädliche Strahlung ausging. Die tragischen Folgen für die Soldaten zeigten sich in der Regel erst wesentlich später. Die Betroffenen erkrankten schwer – nicht selten mit tödlichem Ausgang –, sie konnten keine Kinder zeugen, oder ihre Kinder kamen mit massiven Erbgutschäden zur Welt. Da die Ursache ihrer Erkrankung im Dienst bei der Bundeswehr lag, sollten sich die Betroffenen eigentlich auf die Fürsorge und Unterstützung ihres ehemaligen Dienstherrn verlassen können. Es war eine äußerst schmerzhafte Erfahrung für die Betroffenen, dass der Dienstherr eine Verantwortung zuerst verweigerte. Doch sie gaben nicht auf und konnten schließlich erreichen, dass sich das Parlament mit ihrer Situation auseinandersetzte. Experten untersuchten damals im Auftrag des Verteidigungsministeriums die Zusammenhänge und empfahlen schließlich eine wohlwollende Entschädigungspraxis. Das ist acht Jahre her.

 

Es ist traurig, dass dieser Antrag nach diesem langen Zeitraum heute noch notwendig ist. In dieser Zeit ist es eben nicht gelungen, die Entschädigungspraxis so zu gestalten, dass allen Betroffenen geholfen werden kann. Die Folge ist, dass Menschen, die um ihr Leben kämpfen, oder auch die Hinterbliebenen Kraft in einen mühsamen Rechtsstreit stecken müssen. Es ist richtig, dass wir hier von schwierigen Fragen des Entschädigungsrechts sprechen, doch kann eben nicht die Rede davon sein, dass bisher alle erdenklichen Spielräume immer schnell und entschlossen ausgeschöpft worden sind. Das Verteidigungsministerium ist jetzt in der Pflicht,

den Auftrag, den das Parlament ihm heute hier erteilen will, zügig umzusetzen. Insbesondere in die Stiftungslösung setzen viele Betroffene große Hoffnungen, und die dürfen wir nicht enttäuschen. In den Debatten und in der heute diskutierten Einigung haben wir uns auf die ehemaligen Soldaten konzentriert. Was wir nicht vergessen sollten: Auch die zweite Generation, die Kinder der Soldaten, ist durch Erbgutschäden von dieser Problematik betroffen. Auch für sie ist die Entschädigungsfrage noch nicht beantwortet. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie bei der Umsetzung dieses Antrages auch die Kinder der betroffenen Soldaten nicht außer Acht lässt. Die Weigerung, ein Problem im Fürsorgebereich anzuerkennen und schnell und entschlossen nach einer Lösung zu suchen, finde ich im Übrigen ausgesprochen bedenklich. Radargeschädigte sind für diese Haltung nur ein Beispiel. Auch die an einer posttraumatischen Belastungsstörung Erkrankten mussten viel zu lange um die Anerkennung ihrer Probleme und um Unterstützung kämpfen. Ich kann den Minister nur eindringlich dazu auffordern, die Neuausrichtung der Bundeswehr auch als Chance zu nutzen, hier an einem Einstellungswandel zu arbeiten.

Vielen Dank.