Agnieszka Brugger agnieszka-brugger.de

Reden und Videos

Rede zur Mandatsverlängerung UNMISS im Südsudan

 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über Jahrzehnte haben die Menschen im Südsudan unter Gewalt und Unterdrückung gelitten. Und 2011 gab es mit der Unabhängigkeit ein großes Aufatmen und die aufkeimende Hoffnung, dass nun endlich mehr Frieden und Sicherheit herrschen würden. Die internationale Gemeinschaft hat versucht, den jüngsten Staat der Welt auf diesem Weg zu unterstützen, auch in Form der VN-Friedensmission UNMISS, über deren Verlängerung wir heute beraten.

Im Dezember 2013 sind all diese Hoffnungen aber schlagartig erloschen, als Präsident Salva Kiir und sein Vize Riek Machar ihren persönlichen Machtkampf auf brutalste Weise ausgetragen haben. Am Wochenende haben sie sich wieder auf einen Waffenstillstand geeinigt. Ich habe sehr große Skepsis, ob sie wenigstens dieses Mal gewillt sind, ihn umzusetzen. Die internationale Gemeinschaft muss hier weiter Druck ausüben; sie muss genau hinschauen. Sie muss mehr Sanktionen verhängen, falls sie sich wieder nicht an die Vereinbarungen halten. Die Vereinten Nationen sollten darüber hinaus der Europäischen Union folgen und endlich ein Waffenembargo gegen den Südsudan verhängen.

Meine Damen und Herren, das grausame Ausmaß der Gewalt, die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, die schrecklichen Massenvergewaltigungen und auch der Einsatz von Kindersoldaten – all das ist nicht nur unfassbar, all das und muss aufgeklärt und die Täter zur Verantwortung gezogen werden.

Der Südsudan war immer ein armes Land. Der verheerende Bürgerkrieg hat aber nicht nur Tausende Todesopfer gefordert, sondern auch eine humanitäre Katastrophe ausgelöst: Fast 2 Millionen Menschen sind auf der Flucht, 3,8 Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, eine halbe Million ist unmittelbar von Tod durch Hunger und Krankheit bedroht. Dass der VN-Aufruf zu humanitärer Hilfe von den Mitgliedstaaten bisher nur zu 61 Prozent erfüllt wird, finde ich angesichts der dramatischen Lage beschämend.

Meine Damen und Herren, als die Gewalt kurz nach der letzten Mandatsberatung im Bundestag im letzten Jahr so extrem eskaliert ist, hat die Friedensmission UNMISS umgehend reagiert. Damit meine ich nicht nur die richtige Anpassung des Auftrages der Mission im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, bei dem ihr Fokus ganz klar vom Staatsaufbau auf den Schutz der Zivilbevölkerung gerichtet wurde. Meine Fraktion und ich, wir haben höchsten Respekt vor der schnellen und mutigen Entscheidung der Leiterin der UNMISS-Mission, Hilde Johnson, die in dieser gefährlichen Lage die Tore der VN-Camps für die Flüchtlinge geöffnet hat.

Ich möchte all jenen danken, die sich unter hohem persönlichen Risiko für den Schutz der unschuldigen Menschen eingesetzt haben, ob mit Uniform oder ohne, ob im Rahmen von UNMISS oder außerhalb.

Meine Damen und Herren, wenn ich mit denjenigen spreche, die bei UNMISS eingesetzt waren, dann macht mich das sehr betroffen. Denn schnell wird klar: Es hätten noch mehr Menschen gerettet werden können, wenn die Mitgliedstaaten, auch Deutschland, schneller und engagierter reagiert hätten.

Nach wie vor wäre eine Stärkung von UNMISS notwendig. Es gibt einen Mangel an bestimmten Fähigkeiten in der Logistik, bei der Aufklärung, bei der Verlegefähigkeit, bei der Mobilität der Mission. Aber es mangelt auch an Personal, an Ärzten, an Ingenieuren und angesichts der Übergriffe in den Camps vor allem auch an Polizisten.

Und meine Damen und Herren, diese Debatte macht mich auch ein bisschen wütend. 100 000 Menschen konnten Zuflucht in den Camps der Vereinten Nationen finden. Allein das zeigt doch, wie wichtig diese Mission ist und dass eine Ablehnung dieses Mandates derzeit nicht nur unverantwortlich, sondern auch grausam wäre.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, dass Sie diesen wichtigen Beitrag immer unerwähnt lassen, weil es Ihnen eben nicht in den Kram passt, finde ich zynisch.

Ich kann Ihre Begründung für die Ablehnung auch logisch nur schwer nachvollziehen. Sie kritisieren, dass hier mit der südsudanesischen Regierung zusammengearbeitet wird. Sie kritisieren, dass nicht jede Gewalteskalation verhindert werden konnte. Folgerichtig müssen Sie dann doch ein robusteres Mandat und mehr Truppen fordern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, auch Ihre Argumentation finde ich wenig überzeugend. Aktuell sind im Rahmen von UNMISS 16 deutsche Soldaten und sieben deutsche Polizisten im Einsatz. Trotz der völlig veränderten dramatischen Lage bleibt der deutsche Beitrag gleich. Es wäre lächerlich, wenn es nicht so traurig wäre, dass in der Mandatsbegründung steht: UNMISS ist ein Schwerpunkt des deutschen Engagements in Afrika. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ich frage Sie ernsthaft: Sieht so die neue deutsche Verantwortung aus?

Meine Damen und Herren, ich denke hier auch an die großen Worte und Ankündigungen von Frau von der Leyen, die gesagt hat: Wir können nicht zur Seite schauen, wenn Mord und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind. „To sit and wait is not an option.“ Afrika als Nachbarkontinent lag ihr besonders am Herzen. Nichts habe ich in den letzten Monaten von der Verteidigungsministerin zur Lage im Südsudan gehört. Da, muss ich sagen, ist eben nicht mehr Verantwortung übernommen worden, sondern es wurde weggeschaut und abgewartet.

Ich finde es mehr als bitter und falsch, dass Sie das mit diesem Mandat nicht korrigieren, dass der von-der-Leyen-Show an dieser Stelle keine Taten der Bundesregierung folgen.

Meine Damen und Herren, den Menschen im Südsudan helfen weder die wohlfeile Kritik der Linkspartei noch die leeren Verantwortungsfloskeln der Regierung. Deshalb fordern wir Grüne Sie auf: Erhöhen Sie die Mittel für die humanitäre Hilfe! Setzen Sie sich für ein VN-Waffenembargo ein! Stärken Sie UNMISS! Schicken Sie mehr Polizisten und zivile Experten! Übernehmen Sie Verantwortung, schauen Sie nicht weg und warten Sie nicht ab!