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Umfassende Entschädigung für Radarstrahlenopfer der Bundeswehr und der ehemaligen NVA

Rede zu Protokoll   102. Sitzung, 7.4.2011, TOP 23.

 

Frau Präsidentin//Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

ehemalige Soldaten der Bundeswehr und der NVA sind bis in die 1980er Jahre hinein während ihrer Dienstausübung nachhaltig geschädigt worden. Viele von ihnen waren Wehrpflichtige. Verursacht wurde diese Schädigung durch Strahlungsquellen in Geräten, die in der täglichen Dienstausübung zum Einsatz kamen. Warnungen vor diesen Strahlenquellen kamen zu spät oder wurden zu lange banalisiert. Die betroffenen Menschen sind auch Jahre später als Folge dieser Verstrahlung schwer erkrankt.

Seit 2001 ist dieser Umstand bekannt, seit 2003 liegt mit dem Abschlussbericht einer unabhängigen Expertenkommission eine umfassendere Erfassung der Zusammenhänge und eine Empfehlung für eine wohlwollende Entschädigungs- und Versorgungspraxis vor. Doch die damals vom ehemaligen Verteidigungsminister Scharping zugesagte „streitfreie und großherzige Lösung“ ist auch heute nicht wirklich in Sicht. Der Staat nutzt stattdessen juristischen Spielräume aus, die sich aus dem Umstand ergeben, dass der direkte Zusammenhang zwischen Erkrankung und Einsatz an den Geräten oft nicht nachzuweisen ist. Die zuständigen Behörden führen mit den Betroffenen endlose bürokratische Auseinandersetzungen über Beweismittel und Gutachten. Am Ende steht in der überwiegenden Mehrzahl eine Entscheidung gegen die Interessen der Betroffenen. Das ist wirklich ein Armutszeugnis für die Fürsorgepflicht gegenüber aktiven und ehemaligen Soldaten.

Seit Jahren setzen sich der Bund zur Unterstützung Radargeschädigter, als Interessenvertretung ehemaliger Bundeswehr-Soldaten, und der Bund zur Unterstützung Strahlengeschädigter, die Interessenvertretung ehemaliger NVA-Angehöriger, für eine verbesserte Entschädigungspraxis ein. Für ihr Engagement, ihren Mut und ihre Ausdauer gebührt ihnen Dank und Anerkennung dieses Hauses. Nur reicht die Erklärungen dieses Dankes nicht mehr aus. Die größte Anerkennung zeigen wir, indem wir endlich diese traurigen Zustände beenden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle sind uns darüber einig, dass den betroffenen Menschen geholfen werden muss. Dabei geht es nicht einmal um die abschließende Klärung von Schuld. Es geht vielmehr um die Übernahme von Verantwortung. Und eine besondere Verantwortung haben wir für die ehemaligen Angehörigen beider Armeen – der Bundeswehr und der NVA.

Die Probleme bei den Anerkennungsverfahren sind schon oft thematisiert worden, sie müssen aber auch angegangen werden. Dabei spielt Zeit eine ganz entscheidende Rolle. Zehn Jahre, nachdem die Problematik erstmals bekannt wurde, ist es allerhöchste Zeit für Lösungen. Wer sich hier weiter hinter der Komplexität der Frage versteckt, wird unglaubwürdig und fügt den Betroffenen unnötig weiteres Leid zu. Denn während Formen der Entschädigung hin und her diskutiert werden und Parlament und Bundeswehrverwaltung, Regierung und Opposition ihre Konkurrenzen austragen, leiden Menschen und ihre Angehörigen. Zu viele der Betroffenen erleben das Ende der lang gezogenen Verwaltungsverfahren nicht mehr. Seit geraumer Zeit mahnen alle Fraktionen hier Verbesserungen an. Aber wenn wir uns dabei in parteipolitischem Gezänk verstricken, werden zu viele der betroffenen Menschen auch die Lösung für die offenen Verfahrensfragen nicht mehr erleben. Dieser Gedanke sollte uns alle inne halten lassen.

Dieses Thema eignet sich nicht dafür, die Grenzen zwischen den Parteien, zwischen Koalitionsfraktionen und Opposition zu betonen. Stattdessen sollten wir bei dieser Frage über unseren Schatten springen – zugunsten der Betroffenen – und gemeinsam für eine vor allem schnelle Lösung arbeiten.

Vielen Dank!