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Enthüllung zum Krieg in Afghanistan: Bundeswehr verschweigt zivile Kriegsopfer

Im Monitor-Interview (WDR) fordere ich Aufklärung über die zivilen Opfer der militärischen Offensive 'Halmazag', der bislang größte militärische Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan.

Bei der größten Militäroffensive der Bundeswehr in Afghanistan hat es entgegen offiziellen Verlautbarungen offenbar zahlreiche tote und verletzte Zivilsten gegeben. Das berichtet das WDR-Magazin MONITOR.

 Wie das WDR-Magazin am Donnerstag (10.07.2014, 21:45 Uhr Das Erste) berichtet, kamen bei einem Gefecht im Herbst 2010 bis zu 27 Zivilisten ums Leben. Die Bundeswehr hatte bislang stets beteuert, dass es bei der viertägigen Operation, mit dem Namen "Halmazag", "keine Erkenntnisse über zivile Opfer" gegeben habe. MONITOR stützt sich bei seinen Recherchen auf die Angaben von Zeugen, Angehörige der Opfer sowie afghanische Regierungsbeamte. Auch ein Soldat der Bundeswehr, der bei dem Einsatz vor Ort war, hält zivile Opfer bei der Bundeswehr-Offensive für "sehr wahrscheinlich".

Angeblich mindestens zwei tote Kinder

Ein Reporter-Team von MONITOR konnte in der Region südwestlich von Kunduz eine ganze Reihe von Fällen recherchieren. Knapp ein halbes Jahr nach dem Abzug der Bundeswehr ist die Region wieder verstärkt unter Kontrolle der Taliban. Dennoch gelang es dem Fernsehteam, mit Angehörigen der Opfer zu sprechen. Sie schildern, wie ihre Familienmitglieder während des viertägigen Gefechtes zwischen der Bundeswehr und den Taliban ums Leben kamen. So berichtet beispielsweise der Lehrer Ajmal, dass er während der Operation "Halmazag" seinen Sohn verloren hatte: "Eines der schweren Geschosse hat das Zimmer getroffen. Dabei kam mein Sohn ums Leben und wir wurden schwer verwundet." Unter den Opfern des Gefechts sind nach Aussagen der Bewohner mindestens zwei tote Kinder.

Dorfältester nicht informiert?

Die Bundeswehr hatte stets erklärt, dass es sowohl während als auch nach der Operation "Halmazag" Treffen mit Dorfältesten gegeben habe. Dabei "gab es auch nach explizitem Nachfragen keine Erkenntnisse über zivile Opfer", so die Bundeswehr. Allerdings war nach MONITOR-Recherchen ausgerechnet einer der wichtigsten Ältesten des gesamten Distrikts, der MONITOR gegenüber zivile Opfer bezeugt, über das Treffen nicht informiert worden. Ein weiterer Ältester, der bei dem Treffen dabei war, erklärte gegenüber MONITOR, dass er die Bundeswehr explizit auf einen toten Zivilisten hingewiesen habe.

Bei dem Opfer handelt es sich um Mohammad Azim. Er wurde während des Gefechts angeschossen und soll von der Bundeswehr anschließend sogar medizinisch versorgt worden sein. Das bestätigen sowohl seine Witwe als auch der Polizeichef des Distrikts Char Darrah gegenüber MONITOR: "Die Deutschen haben ihn für die Behandlung ins Feldlager der Bundeswehr transportiert, wo er bedauerlicherweise gestorben ist", so der Polizeichef. Die Bundeswehr habe dafür sogar Kompensation versprochen. Auch von diesem Toten ist in den Berichten der Bundeswehr keine Rede. 

Die Operation "Halmazag" gilt als erste militärische Offensiv-Operation der Bundeswehr nach dem Zweiten Weltkrieg. Bei dem viertägigen Gefecht wurden auch Artillerie, Kampfflugzeuge, Schützenpanzer und Kampfhubschrauber eingesetzt. Auch ein am Gefecht beteiligter Soldat spricht  gegenüber MONITOR davon, dass es sehr wahrscheinlich sei, dass es zivile Opfer gegeben habe: "Angesichts der Tatsache […] dass es um ein Gebiet ging, das fünf Dörfer umfasste, wo unmittelbar Gefechtshandlungen stattgefunden haben, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass entweder Zivilisten noch in diesem Bereich waren oder auch welche getroffen worden sein könnten", so der ehemalige Soldat.

Grüne fordern Aufklärung

Angesichts der Rechercheergebnisse von MONITOR fordert die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger, nun dringend eine Aufklärung: "Es stellt sich die Frage, ob man hier nicht so genau hinschauen konnte oder nicht so genau hinschauen wollte, ob es zu zivilen Opfern gekommen ist", sagte Brugger im MONITOR-Interview. Darüber hinaus fordert sie eine Untersuchung auch bei weiteren Bundeswehr-Einsätzen in Afghanistan. Dabei müsse insbesondere der Frage nachgegangen werden, "ob es Verwundete und Tote innerhalb der Zivilbevölkerung nach solchen Operationen" gegeben hat.

Mittlerweile hat das Bundesverteidigungsministerium auf die WDR-Recherchen reagiert und will den Vorwürfen nachgehen. Man nehme die Vorwürfe von zivilien Opfern bei einem der größten Militäroffensiven der Bundeswehr in Afghanistan im Jahr 2010 sehr ernst. Die Bundeswehr werde "den Vorfällen gesondert nachgehen", heißt es in einer Stellungnahme des Bundesverteidigungsministeriums. Im Rahmen der damals durchgeführten Nachuntersuchungen (Battle Damage Assessments), so das Ministerium, habe man keine Hinweise auf "diese Vorfälle" gehabt. Allerdings finde jedes BDA auch "dort seine Grenzen, wo Soldaten einer neuen Gefährdung ausgesetzt würden", so das Verteidigungsministerium.

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