Agnieszka Brugger agnieszka-brugger.de

Jugend und Politik

Politik mal anders

Politik „selber machen“, das bin ich in der Grünen Jugend gewohnt. Vom 4.-7. Juni aber durfte ich Politik im Rahmen des Planspiels „Jugend und Parlament“ „spielen“. Circa einen Monat vorher wurde ich von Agnieszka Malczak (MdB) als eine von 312 weiteren Jugendlichen aus ganz Deutschland eingeladen. Das Planspiel orientiert sich an dem tatsächlichen Ablauf eines typischen Gesetzgebungsverfahrens im Deutschen Bundestag. Allerdings im Schnelldurchlauf innerhalb von vier Tagen.

Dazu wurde uns eine ausgedachte Identität und die Zugehörigkeit zu einer fiktiven Partei zugeteilt. Im meinem Fall war ich eine 37-jährige Ökobäuerin aus Bayern und Mitglied in der bayrischen Landesgruppe der Partei „CVP“ (Christliche Volkspartei). Die anderen Parteien hießen APD (Arbeiterpartei Deutschlands), LRP (Liberale Volkspartei), ÖSP (Ökologisch-Soziale Partei) und PSG (Partei der sozialen Gerechtigkeit). Die Regierung wurde im Bezug auf die Realität von der CVP und LRP gestellt.

„Meine“ Partei brachte vier vorformulierte Gesetzentwürfe zu den Themen Energiewende, Schüler-BAföG, Pressefreiheit und Wahlrecht in die Beratungen des Bundestags ein.

Am ersten Tag wurden uns die Charaktere und Ausschusszugehörigkeit zugewiesen. In meinem Fall war das der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Dann trafen wir uns zum Kennenlernen in den jeweiligen Landesgruppen, von denen es in der CVP vier gab.

Der zweite Tag begann mit der Wahl eine_r Landesgruppensprecher_in, der/die somit Kandidat_in für den Fraktionsvorsitz war und einem/einer Schriftführer_in, die im Plenum abwechselnd den/die amtierende_n Präsident_in unterstützten.

In der anschließenden ersten Fraktionssitzung mit allen Landesgruppen wurde der/die Fraktionsvorsitzende und seine/ihre Stellvertreter_in gewählt.

Danach besprachen wir den jeweiligen Gesetzesentwurf in der Sitzung unserer jeweiligen Fraktionsarbeitsgruppe, die aus den Mitgliedern meiner Fraktion in den Ausschüssen des Bundestages bestand. Ziel der Diskussion in der Arbeitsgruppe war die Erstellung eines Meinungsbildes für die anschließende zweite Fraktionssitzung. In dieser Fraktionssitzung haben wir die Strategie der Fraktion im Plenum des Bundestages diskutiert – also wie stimmen wir ab und wie begründen wir diese Entscheidung in den Reden.

Die erste Lesung der Gesetzentwürfe am dritten Tage eröffnete die Plenardebatte. Nach einem ersten Meinungsaustausch mit den anderen Fraktionen wurde die Entwürfe zur weiteren Beratung in die Fachausschüsse des Parlaments überwiesen. Diese Ausschusssitzungen fanden anschließend statt.

Die Festlegung der Fraktionsposition wurde in der dritten und letzten Faktionssitzung beschlossen. Weiter wurden die Redezeiten auf die benannten Redner_innen für die zweite Lesung der Gesetzentwürfe im Plenum aufgeteilt.

Der letzte Tag des Planspiels endete schließlich mit der zweiten und dritten Lesung der Gesetzesvorlagen im Plenum des Bundestages und deren Abstimmung.

Das „Jugend und Parlament-Team“ hatte sogar daran gedacht, dass es „die Medien“ im Planspiel gibt. Die Redaktion des Presse-Teams brachte jeden morgen eine Zeitung heraus und unterhielt einen planspieleigenen Blog inklusive Liveticker. Damit konnten sich die Mitspieler_innen auf dem Laufenden halten, was in den anderen Fraktionen passierte.

Das besondere bei diesem Planspiel ist die weitestgehende Anlehnung an die realen Abläufe der Verabschiedung von Gesetzen. Die Fraktionssitzungen der fiktiven Partei fanden in den echten Räumlichkeiten der realen Partei statt. Die Ausschusssitzungen in den richtigen Ausschuss-Sälen und die Plenardebatten im Plenarsaal des Reichstags. Wir durften also in Bereiche des Bundestages, in die nicht einmal die engsten Mitarbeiter_innen der Abgeordneten gehen dürfen.

Meine Erfahrungen in diesen Tagen waren unvergleichlich. Es gibt keine weitere Gelegenheit so hautnah an das echte Geschehen im Bundestag heran zu kommen (außer natürlich selbst Abgeordnete_r zu werden). Jedes Jahr bekommen nur gut 300 Jugendliche die Chance, bei diesem Planspiel dabei zu sein.

Es mag in manchen Situationen schwer sein, sich in seine fiktive Rolle einzudenken vor allem wenn man dabei auf der „Gegenseite“ landet Dann zu argumentieren, wie es in der realen Welt der politische Gegner tut, und in Reden dann zu klatschen, wenn man eigentlich pfeifen möchte, kostet wirklich etwas Überwindung.

Aber alles in allem kann ich nur empfehlen, mit einem Abgeordneten Kontakt aufzunehmen um nächstes Jahr selbst dabei sein zu können!

Sonja Hummel, 15.06.2011