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Autor*innenpapier: Konzertierte Aktion für eine Beschleunigung der Impfstoffproduktion

Robert Habeck, Anton Hofreiter, Katharina Dröge, Kordula Schulz-Asche, Franziska Brantner, Danyal Bayaz, Ottmar von Holtz, Anja Hajduk, Maria Klein-Schmeink, Agnieszka Brugger

Die historisch einmalige Geschwindigkeit, mit der Impfstoffe gegen das Corona-Virus entwickelt wurden, hat uns alle Hoffnung geschenkt in diesen finsteren Zeiten. Sie hat gezeigt, wozu wir als Menschheit im Stande sind.

Einige Wochen später jedoch macht sich Ernüchterung breit. Es wird deutlich, wie kompliziert die massenhafte Herstellung der neuen Impfstoffe ist, und wie knapp sie derzeit noch sind.

Gerade in Europa macht sich das Gefühl breit, gegenüber anderen Industrieländern ins Hintertreffen zu geraten. Wir halten es nach wie vor für richtig, dass gemeinsam europäisch beschafft wurden.

Dabei lief und läuft nicht alles glatt. Rückblickend ist auch klar, dass neben der Beschaffung ein viel stärkerer Anreiz zum Aufbau von Produktionskapazitäten notwendig gewesen wäre.

Schuldzuweisungen bringen uns aber nicht weiter. Ein Wettrennen jeder gegen jeden auch nicht. Denn klar ist: wir werden die Pandemie europäisch und global bewältigen müssen. Gerade die aufgetreten Mutationen der letzten Wochen haben erneut unterstrichen: erst wenn die Pandemie auf der ganzen Welt unter Kontrolle ist, werden wir Covid-19 wirklich überwunden haben. Es ist nicht akzeptabel, wenn die Länder des globalen Südens bis 2023 oder 2024 auf die Impfungen warten müssen.

Es braucht jetzt eine gemeinsame europäische und globale Kraftanstrengung. Klar ist: auf schnelle Wunder können wir nicht hoffen, Impfstoffe werden die nächste Zeit knapp sein. Aber die schnellstmögliche Produktion – so vieler Impfdosen wie möglich, so schnell wie möglich – ist die zentrale Herausforderung dieses Jahres. Der Umfang und die Dringlichkeit dieser Aufgabe scheint uns dabei von vielen noch nicht ausreichend erfasst zu sein, leider auch in der Bundesregierung.

Wir brauchen jetzt eine konzertierte Aktion für eine Beschleunigung der Impfstoffproduktion – national, europäisch und global. Wir schlagen dazu folgende Punkte vor:

  1. Alle Pharmakonzerne müssen unverzüglich in die Impststoffproduktion (inklusive aller notwendigen Vorprodukte) einbezogen werden und zwar von den Impfstoffen, die erwiesenermaßen erfolgreich sind oder noch eine schnelle Aussicht auf Erfolg haben. Das Beispiel des französischen Pharmaunternehmens Sanofi, das nach einem eigenen Fehlschlag jetzt in die Abfüllung von Biontech-Impfstoff einsteigt, weist die Richtung. Aber dieses Einzelbeispiel reicht nicht. Alle müssen an einen Tisch, alle Kapazitäten müssen genutzt werden. Jeder einzelne Schritt der Zusammenarbeit und Beschleunigung hilft – neben der tatsächlichen Impfstoffproduktion auch die Unterstützung bei Abfüllung, Verpackung, Auslieferung. Die Bundesregierung muss dazu eine konzertierte Aktion ins Leben rufen und einen hochrangingen Beauftragten zur Koordinierung einsetzen. Die Pharmaindustrie hat mit der historisch schnellen Entwicklung des Impfstoffes ihre Innovationskraft unter Beweis gestellt. Das soll und muss sich auszahlen. Deshalb setzen wir zuerst auf Abnahmegarantien und Zusammenarbeit. Aber in letzter Konsequenz hätte die Bundesregierung über verpflichtende Freigabe von Lizenzen die Möglichkeit, die Beteiligten zu Kooperation zu zwingen. Jede Definition von Interesse der Allgemeinheit ist hier erfüllt.
     
  2. Die EU sollte zusammen mit den USA die Initiative ergreifen, um auf Ebene der G20 eine Task Force eingerichtet werden, die alle Kapazitäten der globalen Pharmaindustrie zusammenbringt. und mehr Fairness und Gerechtigkeit in das globale Krisenmanagement bringt. Diese Task Force soll die bereits bestehenden Instrumente wie COVAX und den „Technology Access Pool“ unterstützen und ergänzen. Hier liegt eine große Chance und Verpflichtung für eine neue transatlantische Kooperation mit der neuen Biden- Administration.
     
  3. Die EU sollte darüber hinaus sofort selbst mit ihren Möglichkeiten und den Pharmaunternehmen vorangehen. Sie sollte jenseits der bestehenden Verträge eine umfassende Abnahmegarantie für weitere Impfstoffdosen abgeben, die solidarisch finanziert wird. Damit werden klare und hohe Anreize für eine mittelfristige Ausweitung der Produktionskapazitäten gesetzt. Diese Abnahmegarantie sollte zeitlich gestaffelt werden: je früher Dosen eingehen, desto höher ist der Preis. Die EU sollte zudem einen festen, bedarfsgerechten Anteil der so erlangten Dosen global über die COVAX-Initiative zur Verfügung stellen. Die Mittel für COVAX müssen noch einmal deutlich erhöht werden, um die Produktion auch der Impfstoffe anzureizen, die besser für eine Versorgung der Länder des globalen Südens eingesetzt werden können Neben der Abnahmegarantie sollte es einen Investitionsfonds geben, der bei Umstellung oder Aufbau von Kapazitäten mit großzügigen Investitions- und Umbauzuschüsse hilft. Eine solche Investitionsstrategie wäre auch ein erster Schritt, um mittelfristig Europas Souveränität in der Arzneimittelversorgung zu stärken.
     
  4. Es muss ein Monitoring etabliert werden für die gesamte Lieferkette der Impfstoff- Produktion um Knappheiten frühzeitig zu erkennen und zu beheben.

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