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Aktuelles

Zur Chinareise von Kanzler Scholz

Kanzler Scholz muss in China selbstbewusst und sichtbar für europäische Interessen und die universellen Werte der VN-Charta eintreten. Taiwan, Hongkong, Tibet, die Uiguren und der Krieg in der Ukraine. Menschenrechte, eine regelbasierte Ordnung. Das alles muss auf die Agenda. Wir dürfen Staaten, die sich von gemeinsam vereinbarten Regeln abwenden und bewusst attackieren, nicht naiv gegenübertreten. Selten waren Interessen, Werte & Geopolitik in ihren Handlungsempfehlungen so nah beieinander. Niemals mehr dürfen kurzfristige wirtschaftspolitische Profite für einzelne Branchen in solchen Fällen mit unseren echten Interessen verwechselt werden. Kein noch so großer Profit im Heute kann die potentiellen Risiken und Kosten in der Zukunft aufwiegen. Denn für uns und unsere Verbündeten sind unsere Sicherheit, unsere Demokratie, Freiheit und Menschenrechte, eine regelbasierte Ordnung, in der nicht der vermeintlich militärisch oder wirtschaftlich Mächtigere seine Wünsche einfach durchsetzt, sondern die Kooperation, Vertrauen und gemeinsame Problemlösungen angesichts der großen globalen Herausforderungen beruht, besonders wichtige Anliegen. Sie sind auch die Grundlage unserer Art und Weise zu leben und zu wirtschaften.

Prinzipiell ist die Idee, dass umfassende gegenseitige Verflechtung zwischen zwei Staaten zu Vertrauen und Zusammenarbeit führt und Aggression einschränkt, gut und richtig. Aber sie stößt da an Grenzen, wo ein Akteur Ideologie und Machterwerb wichtiger sind als gegenseitige Kooperation, die sogar zu offensichtlichen Vorteilen auf beiden Seiten führen würde. Im Fall von China gab es gerade in den letzten Jahren und insbesondere in den letzten Monaten mehr als ein Warnsignal, das in diese Richtung weist. Nicht zuletzt sehr prominent mit den Bildern und Botschaften des letzten Parteitages der KP. Es wäre fahrlässig, diese Alarmzeichen wie im Fall von Wladimir Putin geschehen, zu ignorieren, nur weil man sie nicht wahrhaben will. Wir müssen aus den eklatanten Fehlern der Russlandpolitik der letzten Jahre lernen: Einseitige wirtschaftliche Abhängigkeit von autokratischen Staaten macht uns verwundbar, ja im schlimmsten Fall erpressbar. Unsere Abhängigkeit von China ist deutlich komplexer und vielschichtiger als es die von Russland je war. Und mit Blick auf andere Staaten sehen wir, dass das kein abstraktes Risiko ist, sondern diese Hebel relativ hart und skrupellos genutzt werden. Gerade da, wo eine hilfreiche Investition vermeintlich ganz harmlos zur rechten Zeit kam.

Natürlich muss man weiter miteinander reden, auch gerade dann, wenn es schwierig wird und Gegensätze größer werden. Und es ist auch eine völlig irrige Vorstellung, dass es überhaupt möglich ist, schnell alle Wirtschaftsströme und -beziehungen zu beenden. Aber wir müssen Einflussmöglichkeiten schließen und begrenzen und dürfen keine neuen Schwachstellen zulassen. In kritischen, wichtigen und sensiblen Bereichen müssen wir unseren Staat, unsere Infrastruktur, unsere Technologie und Wirtschaft schützen und die Resilienz stärken. Das fängt mit einem besseren und europäischen Monitoring an, kann die Untersagung und Beendigung von Geschäften bedeuten und sollte auch die Verschärfung von gesetzlichen Grundlagen beinhalten. Wir müssen entschieden für faire Wirtschaftsbeziehungen, gemeinsam vereinbarte Regeln wie die VN-Charta oder internationale Arbeitsstandards eintreten und auch bereit sein, im Zweifelsfall unsere europäische Marktmacht dafür zu nutzen, statt nur aufs billige Geschäft zu schauen. Ein starkes Lieferkettengesetz und ein effektiver EU-Bann für Waren aus Zwangsarbeit, wären wir hier erste und richtige Schritte.

Als Grüne im Bundestag haben wir uns mit zahlreichen Initiativen für einen Kurswechsel und das Ende naiver Chinapolitik eingesetzt. Das führte unter anderem dazu, dass China-Kenner Reinhard Bütikofer sanktioniert wurde und Margarete Bause nicht nach China einreisen durfte. Aber nicht nur Außenpolitiker*innen wie Jürgen Trittin, Reinhard und Margarete haben intensiv an diesen Fragen mit mir gearbeitet. Auch in den anderen Politikbereichen hatten wir das auf dem Schirm: bei der Wirtschaft mit Katharina Dröge und bei der Inneren Sicherheit mit Konstantin von Notz.

Hier nur ein kleiner und ausgewählter Rückblick auf die Initiativen im Bundestag, vieles würde ich im Lichte aktueller Entwicklungen heute noch deutlicher formulieren:

Der Schutz von Menschenrechten muss politisch und wirtschaftlich höchste Priorität haben, schon früh haben wir Aufklärung und Konsequenzen für Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang gefordert:

https://dserver.bundestag.de/btd/19/308/1930882.pdf

https://dserver.bundestag.de/btd/19/164/1916492.pdf

https://dserver.bundestag.de/btd/19/055/1905544.pdf

Bereits 2019 haben wir strengere Kriterien bei der Zulassung ausländischer Anbieter von Hard- und Software beim Ausbau des 5G-Netzes gefordert und vor staatlicher Einflussnahme und Abhängigkeit gewarnt:  https://dserver.bundestag.de/btd/19/160/1916049.pdf

Die Aufarbeitung der Niederschlagung der friedlichen Proteste am Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989 steht immer noch aus: https://dserver.bundestag.de/btd/19/102/1910222.pdf

Auch die Situation in Hongkong darf nicht vergessen werden: https://dserver.bundestag.de/btd/19/205/1920563.pdf

Und 2020 haben wir ein Fachgespräch zur globalen chinesischen Machtpolitik während der Corona-Krise veranstaltet, hier könnt ihr meine Zusammenfassung noch einmal nachhören: https://www.instagram.com/tv/CBNt4ovAhWv/?igshid=YmMyMTA2M2Y%3D 

Während wir im Koalitionsvertrag noch den Dreiklang „Systemrivale, Wettbewerber und Partner“ wiederholt haben, hat sich das Verhältnis aus meiner Sicht mittlerweile verschoben. Will China noch Partner sein oder dominiert die Systemkonkurrenz? Und wie werden wir darauf reagieren? Die neue Nationale Sicherheitsstrategie und vor allem die Chinastrategie der Bundesregierung müssen zum Fundament eines realistischen Chinapolitik und entschiedenen Kurswechsels weg von „Merkel-Business as usal“ werden. Und nochmals: Die universellen Menschenrechte und deren Verletzungen müssen von Olaf Scholz klar und deutlich gegenüber Xi Jinping angesprochen werden. Menschenrechte sind keine westliche Erfindung – sie sind Kern der Charta der Vereinten Nationen. So kann der Kanzler beweisen, dass diejenigen, die mit Kritik und Sorge auf seine Reise blicken (und manche Punkte kann auch ich auch durchaus gut nachvollziehen), nicht Recht haben werden und der Besuch ein Aufbruch hin zu einer neuen & überfälligen Haltung gegenüber China wird.

 

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