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Reden und Videos

Rede zu G36 in Mexiko

 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 26. September 2014 kam es in der mexikanischen Stadt Iguala zu einer unfassbaren Tragödie und zu einem schrecklichen Verbrechen. Vor fast einem Jahr griffen dort lokale Polizisten und Söldner der Kartelle und der Mafia Studenten an und feuerten in die Menge. 6 von ihnen starben, und 43 Studenten wurden mit Gewalt auf Trucks geladen und sind bis heute spurlos verschwunden. Herr Kollege Pfeiffer, ich muss sagen: Ihre Rede der zynischen Kälte, das ist einfach nur ein Schlag in das Gesicht der Angehörigen dieser Menschen.

Relativ schnell war nämlich klar, dass bei diesem Angriff deutsche Sturmgewehre aus dem Hause Heckler & Koch eingesetzt worden sind, die laut Bundesregierung niemals dorthin hätten geliefert werden dürfen. Es klingt hart, aber es ist wahr: Die deutsche Bundesregierung trägt eine Mitschuld an dieser Gräueltat.

 

Lesen Sie doch einmal die Details nach! Und es sind nicht olle Kamellen, über die wir heute hier diskutieren. Es sind nämlich keine ollen Kamellen, was jetzt über das Verfahren der Bundesregierung zur Genehmigung der G36 Gewehre herausgekommen ist. Das offenbart das erschreckende Bild einer Politik, die den Kompass für Sicherheit und Menschenrechte völlig verloren hat.

 

Was 2005 und in den folgenden Jahren unter der letzten Großen Koalition passiert ist, das hat mit einer restriktiven Rüstungsexportpolitik rein gar nichts zu tun. Sie haben die strengen Regeln, die es in Deutschland auf dem Papier gibt, in der Realität in ihr perverses Gegenteil verkehrt. Ich mache Ihnen das gerne konkret, damit Sie das nachvollziehen können.

Das Auswärtige Amt hat, bevor der erste Deal genehmigt wurde, gesagt: Es gibt keine besonderen deutschen außen- und sicherheitspolitischen Interessen, Mexiko mit G36 Gewehren zu beliefern. Das Auswärtige Amt hat auch auf Gefahren in Bezug auf Menschenrechte hingewiesen. Die deutschen Regeln besagen: Keine Kriegswaffenexporte in Staaten außerhalb von NATO und EU, es sei denn, es gibt besondere außen- und sicherheitspolitische Interessen. Die deutschen Richtlinien besagen: Keine Exporte in Staaten, in denen die Menschenrechte verletzt werden. - Aber dann waren die Bedenken des Auswärtigen Amtes das ist doch komisch vom Tisch. Ich frage Sie: Wessen Interessen sind hier zum Zuge gekommen? Doch nicht die der Menschenrechte, nicht die der Bundesrepublik Deutschland, sondern offensichtlich die Interessen eines einzelnen Rüstungsunternehmens.

 

Dann lesen Sie doch einmal die Zeitung. Ich kann Ihnen gerne noch ein anderes Beispiel nennen. Irgendwann wurden bestimmte Provinzen von den Genehmigungen ausgenommen, als klar war, dass dort die Menschenrechtslage noch schlimmer und die Polizei noch korrupter ist. Aufgrund eines Tipps aus dem Bundeswirtschaftsministerium hat Heckler & Koch seinen Antrag entsprechend angepasst. Jetzt kommt heraus, dass dem Mitarbeiter aus dem Bundeswirtschaftsministerium von Anfang an klar war, dass man diese Regelung nicht überprüfen kann, dass von Anfang an war klar, dass die Waffen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit genau dort gelandet sind, wo sie eigentlich nicht sein dürften.

 

Ein drittes Beispiel: Neu für Alt. Diesen wichtigen Grundsatz haben wir eben auch schon gehört. Er besagt, dass der Empfänger in dem Umfang, in dem er neue Waffen erhält, alte Waffen aus seinen Beständen vernichten muss. Und dann lässt man sich abspeisen mit einem Bild, auf dem eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft mit einem Mitarbeiter von Heckler & Koch posiert, auf dem zu sehen ist, wie ein paar Hundert alte Gewehre vernichtet werden. Daraufhin liefert man mehrere Tausend neue Gewehre.

 

Ich muss Ihnen sagen: Sie missbrauchen diesen wichtigen Grundsatz. Das ist nichts anderes als eine einzige große Heuchelei. Ich finde es erschreckend, wie sich Beamte der Bundesregierung zu willfährigen Helfern einer Waffenschmiede gemacht haben, um einen sehr hohen Preis.

 

Eine solche Vetternwirtschaft in diesem Ministerium darf wirklich nicht akzeptiert werden. Meine Damen und Herren, wir Grüne verlangen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, von Außenminister Frank-Walter Steinmeier und von der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und all den anderen Ministerinnen und Ministern, die hinter den verschlossenen Türen des Bundessicherheitsrates sitzen und über Rüstungsexporte entscheiden: Kommen Sie ja nicht auf die Idee, wie einige Kollegen aus der Union, diesen Vorfall kleinzureden! Sorgen Sie für lückenlose Aufklärung, und ziehen Sie strukturelle und personelle Konsequenzen, damit sich so etwas nie wiederholt!

 

Es ist höchste Zeit, dass sich die deutsche Politik der Waffenexporte endlich umfassend und radikal ändert. Wir Grüne werden nicht aufgeben, für eine Politik zu streiten, die sich Frieden, Sicherheit und Menschenrechten verpflichtet fühlt und diese nicht irgendwelchen Gewinninteressen einzelner Rüstungsunternehmen opfert.

 

Wir können das, was in Mexiko geschehen ist, nicht wiedergutmachen. Wir können das Leid der Menschen, die dort gestorben sind, der Menschen, die dort entführt worden sind, das Leid der Angehörigen und Freunde, die sie bis zum heutigen Tage verzweifelt suchen, nicht rückgängig machen. Wir können und wir müssen aber dafür sorgen, dass sich so etwas niemals wiederholt.