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Rede zu Kampfdrohnen und Euro Hawk

 

Fehler sind da, um wiederholt zu werden. So könnte man den Grundsatz der Beschaffungspolitik im Bundesverteidigungsministerium zusammenfassen, wenn man sich die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD zum Erwerb und Einsatz von Kampfdrohnen durchliest. Diese Antwort wurde am 29. Mai per Kabinettsbeschluss einfach abgenickt. Völlig unbeeindruckt vom Euro-Hawk-Desaster kündigt die Bundesregierung darin die Beschaffung von fünf Kampfdrohnen bis 2016 an und hält sich gleich einmal offen, noch elf weitere zu erwerben. Es ist doch kaum zu fassen. Wie kann es eigentlich sein, dass diese Bundesregierung trotz der massiven Probleme bei der Zulassung des Euro Hawk gleich die nächste Staffel Drohnen ordern will, und zwar nicht Aufklärungsdrohnen, sondern gleich Kampfdrohnen, die zu Recht hoch umstritten sind? Spätestens jetzt müssten Sie doch die Risiken, die mit der Beschaffung von Drohnen verbunden sind, erst einmal gründlich prüfen, bevor Sie einen solchen Beschluss fassen.

Doch weit gefehlt: Drohnenminister de Maizière und Merkels Kabinettstruppe halten nicht einmal eine Diskussion darüber für nötig. So beschließen Sie mitten im Skandal gleich den nächsten

Skandal. Der Kabinettsbeschluss zur Beschaffung von Kampfdrohnen offenbart, mit welcher Verantwortungslosigkeit Schwarz-Gelb beim Kauf von Waffensystemen entscheidet. Die Probleme bei der Zulassung spielen für Sie trotz des Milliardendesasters beim Euro Hawk keine Rolle.

Klar ist: Der Erwerb und die Verwendung von Kampfdrohnen drohen die Hemmschwelle zum Einsatz von bewaffneter Gewalt insgesamt zu senken und die Kriegsführung grundlegend zu verändern. Vor allem die USA greifen in ihrem sogenannten Kampf gegen den Terror systematisch auf dieses Waffensystem zurück und verstoßen mit gezielten Tötungen in Pakistan, im Jemen und in Somalia gegen das Völkerrecht.

Die Bundesregierung darf diese Praxis nicht einfach stillschweigend hinnehmen! Warum drücken Sie sich davor, diesen offensichtlichen Bruch des Völkerrechts offen zu kritisieren?

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Spatz von der FDP-Fraktion?

Agnes Brugger:

Sehr gerne.

Joachim Spatz (FDP):

Frau Brugger, Sie wollen mit Beispielen aus anderen Ländern belegen, dass bei denen, die über solche Waffensysteme verfügen, die Hemmschwelle sinke. Ist Ihnen klar, dass Sie damit uns alle – und unsere Nachfolger – anklagen? Denn wir wären es, die einen entsprechenden Einsatz, bevor er durchgeführt werden könnte, genehmigen müssten.

Agnes Brugger:

Ich klage niemanden an, sondern ich weise auf die Gefahren hin. Am Fall der USA, die ja ein wichtiger Verbündeter sind, sieht man, dass diese Befürchtungen nicht unbegründet sind: Ein Friedensnobelpreisträger nutzt diese Systeme und höhlt damit das Völkerrecht aus – auch weil diese Bundesregierung zum Beispiel kein einziges Wort darüber verliert.

Ich würde mir wünschen, dass die Bundesregierung das einmal zur Sprache bringt. Ich finde, man muss auch selbstkritisch damit umgehen. Man müsste sich an dieser Stelle auch das Parlamentsbeteiligungsgesetz noch einmal anschauen. Sie kennen die Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Mit einer unmittelbaren Gefährdung der Soldatinnen und Soldaten zu argumentieren, würde zur Mandatierung eines Einsatzes bewaffneter Drohnen nicht ausreichen. Ich bitte Sie, sich mit diesen Fragen noch einmal gründlich auseinanderzusetzen.

Sie blenden die mit Kampfdrohnen verbundenen Gefahren für den Frieden und die weltweite Einhaltung der Menschenrechte einfach aus. Wir Grüne haben uns mit einem Antrag klar positioniert: Wir lehnen die Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr ab. Wir freuen uns darüber, dass inzwischen auch die SPD – per Beschluss des Parteivorstands – diese Position mit uns teilt und sich den verantwortungslosen Beschaffungsplänen von Minister de Maizière entgegenstellt. Dem Rüstungswettlauf muss Einhalt geboten werden, bevor immer mehr Staaten über solche Waffensysteme verfügen und sie weiter exportieren. Wir Grüne wollen internationale Regelungen – auf der Ebene der Vereinten Nationen – und Begrenzungen für bewaffnete unbemannte Systeme. Wir setzen uns auch für eine völkerrechtliche Ächtung von autonomen bewaffneten Drohnen ein; denn es darf nicht zur Entwicklung von Robotern kommen, die selbstständig über Leben oder Tod von Menschen entscheiden.

Herr Minister de Maizière, Sie haben gesagt, Sie wollen keine autonomen Systeme. Da frage ich Sie: Wo sind denn Ihre Initiativen auf internationaler Ebene zur Ächtung dieser Systeme?

Der erste Schritt wäre der eigene Verzicht auf Kampfdrohnen; aber wie es scheint, ist dieser Verteidigungsminister von seinen Drohnenprojekten nicht mehr zu trennen. Schwarz-Gelb im Drohnenfieber, freuen kann sich hierüber nur die Rüstungsindustrie mit ihren Verbandlungen ins Verteidigungsministerium. Meine Damen und Herren, es muss endlich Schluss sein mit der kostspieligen und planlosen Beschaffungspraxis des Verteidigungsministeriums. Die Beschaffungspolitik darf sich nicht nach den Interessen der Rüstungsindustrie und der Logik des Wettrüstens richten. Grundlage müssen eine sicherheitspolitische Bedarfsanalyse und eine friedenspolitische Einhegung sein.

Herr Minister de Maizière, nach den gravierenden Fehlern, die bei der Entwicklung des Euro Hawk gemacht wurden, dürfen und können Sie sich nicht einfach taub stellen und wegdrehen. Ihre Strategie, Herr Verteidigungsminister – ich weiß von nichts und reagiere nur auf offizielle schriftliche Vorlagen aus meinem Ministerium; diese habe ich erst am 13. Mai 2013 erhalten –, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Mit Bekanntwerden der von Ihnen persönlich quittierten Infomappe zum Euro Hawk, die Sie für Ihren Besuch bei Cassidian – wohlgemerkt am 10. Dezember 2012 – samt Schilderung der Zulassungsproblematik erhalten haben, ist klar geworden: Sie wussten sehr wohl Bescheid und haben gelogen.

So spärlich Ihre Antworten auf die vielen Fragen auch waren: Selbst mit den wenigen Worten haben Sie es geschafft, sich auch noch in große Widersprüche zu verheddern. Erst hieß es, Sie seien nicht informiert worden und Ihr Haus sei schuld. Dann fiel Ihnen ein, dass Sie als Minister doch irgendwie für das Verantwortung tragen, was in Ihrem Haus abläuft. Wirkliche Verantwortung wollten Sie trotzdem nicht übernehmen, da man Sie nicht schriftlich über das Problem informiert habe. Auch von diesem Standpunkt mussten Sie sich zurückziehen. Jetzt versteifen Sie sich darauf, dass in der schriftlichen Vorlage nicht von unlösbaren Problemen die Rede war. Herr Minister, hören Sie auf mit dieser Haarspalterei, und übernehmen Sie Verantwortung.

Nein, es ist nicht alles richtig gelaufen und entschieden worden. Nein, es stimmt einfach nicht, dass Sie erst am 13. Mai 2013 eine schriftliche Vorlage zu den Schwierigkeiten bei der Zulassung erhalten haben. Ersparen Sie uns und sich selbst Ihre pseudophilosophischen Einlassungen über das Lösbarkeitspotenzial von Problemen, deren Existenz Sie jetzt fleißig über den Pressestab Ihres Verteidigungsministeriums verbreiten lassen. Wir lassen Ihnen Ihre Ausflüchte und plumpen Täuschungsmanöver nicht einfach durchgehen. Es ist schon sagenhaft, welche Naivität Sie der Öffentlichkeit und dem Parlament unterstellen, wenn Sie glauben, sich mit diesen Verdrehungen so einfach heraustricksen zu können. Herr Minister, Sie müssen dafür sorgen, dass Sie und die politische Führung Ihres Ministeriums die Informationen erhalten, die für eine frühzeitige und realistische Einschätzung notwendig sind.

Das Chaos um die Euro-Hawk-Beschaffung offenbart ein eklatantes Führungs- und Organisationsversagen im Verteidigungsministerium, das Sie, Herr Minister, zu verantworten haben. Um hier für eine lückenlose Aufklärung zu sorgen, werden wir gemeinsam mit der SPD die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragen. Ich bin gespannt, in wie viele Sackgassen Ihr Labyrinth aus Widersprüchen noch führen wird. Doch schon jetzt ist klar: Das Maß an Widersprüchen und Unwahrheiten ist voll. Deswegen werden wir auch dem Missbilligungsantrag der Linken zustimmen.

Herr Minister, Sie geben sich als tadelloser Bürokrat, bezeichnen sich selbst gar als Büroklammer. Sie sind aber der einzige Minister dieses schwarz-gelben Chaoskabinetts, an dessen Akte ein Missbilligungsantrag und ein Untersuchungsausschuss haften.

Es ist Zeit für eine neue und kritische Politik im Umgang mit Drohnen, die sich eben nicht nur von technologischen Verheißungen und Versprechungen der Rüstungsindustrie leiten lässt, sondern sich gerade auch mit den Risiken dieser neuen Militärtechnologie auseinandersetzt. Hier ist Verantwortungsbewusstsein gefordert. Wer dieses Verantwortungsbewusstsein nicht hat, der sollte auch kein Ministerium leiten.