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Reden und Videos

Rede zu Verteidigungsetat

 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Es ergreifen uns große Bestürzung und Erschütterung angesichts der zahlreichen eskalierenden Konflikte und blutigen Kriege im Irak und in Syrien, im Nahen Osten, in der Ukraine, aber auch in der Zentralafrikanischen Republik und im Südsudan, auch wenn wir davon heute nicht mehr so viel in den Medien lesen wie noch vor ein paar Monaten. Und auch die Entwicklungen in Staaten wie Mali und Afghanistan geben großen Anlass zur Sorge. Diese Krisen stellen die Weltgemeinschaft, die Vereinten Nationen, die Europäische Union und natürlich auch Deutschland vor schwierige Fragen: Was können und was müssen wir tun, um Leid zu mindern, die Zivilbevölkerung zu schützen und Gewalt einzudämmen?

Es gibt keine schnellen und keine einfachen Antworten und auch kein Patentrezept, das für jede Krise passt. Ich glaube, vieles muss auch neu und ernsthaft diskutiert werden. Wo und mit welcher politischen Gesamtstrategie, mit welchen Zielen und Mitteln engagiert man sich, auch rückblickend und auf Basis einer kritischen Evaluation der Einsätze der letzten Jahre? Welche Rolle kommt in diesen Strategien der Bundeswehr zu? Wo und unter welchen eng begrenzten Bedingungen ist militärisches Eingreifen erforderlich und sinnvoll, wo ist es kontraproduktiv, wo sind die Grenzen und Risiken? Was heißt das für den Fortgang der Bundeswehrreform? Über welche Fähigkeiten muss die Bundeswehr in welchem Ausmaß verfügen, und auf welche muss sie deshalb vielleicht verzichten?

Diese vielen Fragen sollten eigentlich das Fundament für den Haushalt, den wir heute hier diskutieren, bilden. Angesichts des Verlaufs der bisherigen Debatte habe ich nicht das Gefühl, dass wir diesen Fragen in ausreichender Form gerecht geworden sind. Ich stelle auch sehr unterschiedliche Meinungsäußerungen aus der Koalition fest. Sie zerlegen sich gerade, statt hier um ernsthafte Antworten zu ringen. Ich glaube, das wird der dramatischen Lage nicht gerecht und ist unverantwortlich.

Herr Otte und Herr Hahn von der Union fordern jetzt mehr Panzer und eine Erhöhung des Verteidigungsetats, dessen Volumen schon jetzt bei über 30 Milliarden Euro liegt. Sie verabschieden sich damit nicht nur von dem Haushalt, den Ihre eigene Bundesregierung vorgelegt hat, sondern auch von der Bundeswehrreform der letzten Jahre. Sie wissen doch sehr genau, dass auch im letzten Jahr über 1 Milliarde Euro wegen der riesigen Probleme im Beschaffungsbereich nicht ausgegeben wurden und dass wir noch weit davon entfernt sind, diese Probleme als gelöst zu bezeichnen. Gleichzeitig glauben Sie, Herr Otte, doch nicht ernsthaft das, was Sie gerade hier vorgetragen haben, dass nämlich der Rückfall in die Kalte-Kriegs-Logik in irgendeiner Art und Weise einen Beitrag zur Lösung des Konfliktes und der Krise in der Ukraine ist. Das, was Sie hier fordern, ist finanzpolitisch und sicherheitspolitisch schlicht und ergreifend irrsinnig.

Auch die Kanzlerin und der Koalitionspartner SPD widersprechen Ihnen hinsichtlich der Forderung nach Erhöhung des Einzelplanetats. Auch die zuständige Verteidigungsministerin kommentierte ihren eigenen Haushalt am Wochenende mit einem „vielleicht“. Man müsse jetzt erst einmal schauen, wie viel eigentlich all das koste, dem man beim NATO-Gipfel in Wales schon zugestimmt habe.

Meine Damen und Herren, statt einer ernsthaften Debatte offenbart mir diese chaotische Diskussion, dass Sie eben kein Konzept und keine durchdachte und kluge Sicherheitspolitik haben.

Frau Ministerin, man kann Ihnen eines sicherlich nicht vorwerfen, nämlich dass Sie seit Ihrem Amtsantritt untätig geblieben seien. Im Gegenteil: Sie haben wirklich sehr viele Meldungen und Auftritte in den Medien produziert. Unterm Strich stellt sich dabei aber immer wieder die Frage: Was ist dabei herausgekommen? Folgt der Show dann auch Substanz?

Nehmen wir das Beispiel Waffenlieferungen. Nach wie vor schulden Sie uns eine Antwort auf die Frage, welcher Großverband der Peschmerga genau die Waffen bekommen soll, die Sie dorthin liefern wollen. Wir haben auch nicht erfahren, was andere Nationen liefern. Das ist eine wichtige Information, um zum Beispiel das Proliferationsrisiko einzuschätzen. Wir erfahren aus den Medien, dass Deutschland jetzt Teil einer Koalition ist, die die USA angestoßen hat und die ISIS bekämpfen soll. Bis heute wissen wir aber nicht: Was ist unser genauer Beitrag? Welcher Strategie folgt das Ganze? Welche Rolle spielen dabei die Nachbarstaaten in der Region, die ganz wichtig sind, wenn man nur in irgendeiner Art und Weise zur Lösung dieses Konflikts beitragen will? All diese Fragen müssen geklärt und beantwortet werden. Stattdessen haben Sie sich eher als tatkräftige Ministerin dargestellt, der es vor allem darum geht, ein Tabu zu brechen.

Wir erinnern uns auch alle an den großen Medienrummel um das Thema Vereinbarkeit von Familie und Dienst bei der Bundeswehr. Nach wie vor bleiben Sie uns hier viele Antworten schuldig. Wir haben erhebliche Zweifel, ob es am Ende wirklich gelingt, die Vereinbarkeit von Familie und Dienst zu verbessern, ob das auch finanziell unterlegt ist. Aber die Hochglanzbroschüre mit dem Titel „Aktiv. Attraktiv. Anders.“ ist schon lange entworfen und verteilt. Nur auf das Artikelgesetz zum Attraktivitätsprogramm warten wir seit Monaten.

Eine ähnliche Geschichte gab es in der Frage der Rüstungsdesaster. Wutentbrannt über das Chaos in Ihrem Haus haben Sie einen Staatssekretär und den zuständigen Abteilungsleiter verabschiedet und 15 Projektstatusberichte in Bausch und Bogen abgelehnt. Sie haben dann einen Auftrag an eine Unternehmensberatung vergeben. Diese sollte Ihnen dabei helfen, diese 15 kritischen Rüstungsprojekte und die Strukturen im Ministerium grundsätzlich zu durchleuchten. Dann aber räumt Ihr Ministerium kleinlaut ein, dass wegen des zeitlichen und finanziellen Umfangs des Auftrages völlig willkürlich nur noch 9 Projekte geprüft werden. Frau Ministerin, es sieht auch hier nicht danach aus, dass Sie es schaffen, Ihre Versprechen umzusetzen. Es muss aber endlich Schluss sein damit, dass im Verteidigungsbereich Steuergeld in dieser Form dermaßen verschleudert und verschwendet wird.

Ich möchte noch ein viertes Beispiel anführen: Ein paar Monate später sind Sie in die USA gereist und haben dort die Vereinten Nationen besucht. Sie haben ein stärkeres deutsches Engagement innerhalb der Vereinten Nationen angekündigt. Aber bis heute haben wir nicht einen einzigen konkreten Vorschlag dazu gesehen, wie das eigentlich umgesetzt werden soll. Alles was passiert ist, ist, dass wir uns weniger stark an der UN-Mission in Mali beteiligen. Ich muss Ihnen sagen: Das ist ja ein richtiger Gedanke, aber wir erwarten, dass Ihren Ankündigungen an dieser Stelle auch Taten folgen.

Frau von der Leyen, allzu oft schrumpfen die Ankündigungen, die Sie im Scheinwerferlicht machen, bei Tageslicht dann doch auf sehr mickrige Ergebnisse zusammen.

Meine Damen und Herren, wir von der Opposition würden wirklich gerne mit Ihnen über die schwierigen Fragen und die Herausforderungen für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik diskutieren. Aber dazu sollten Sie erst einmal dieses koalitionäre Gezänk beenden, einen soliden Haushalt vorlegen und die Substanz vor die Show stellen. Denn die Krisen auf dieser Welt erfordern kluge und durchdachte Antworten.

Vielen Dank.