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Rede zum Antrag "Gegen eine Aufweichung des Verbots von Streumunition"

 

 

 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Frühjahr 2009 hat sich der Deutsche Bundestag einstimmig zu einem umfassenden Verbot von Streumunition bekannt, und das aus gutem Grund. Die Oslo-Konvention ist ein Meilenstein hin zu einer weltweiten Ächtung dieser unmenschlichen Waffe, die fast ausschließlich zivile Opfer fordert, darunter vor allem Kinder. Die Oslo-Konvention hat bereits jetzt maßgeblich zu einer internationalen Stigmatisierung von Streumunition beigetragen, und zwar weit über den Kreis der Vertragsstaaten hinaus.

Auch große Anwenderländer, die der Konvention nicht beigetreten sind, wie die USA, China oder Russland, verzichten mittlerweile auf den Einsatz. Das ist ein Beleg dafür, dass das Oslo-Übereinkommen wirkt.

Was wirkt, bewirkt jedoch oft Widerstand bei jenen, die sich an der Wirkung stoßen. Gerade weil das Oslo-Übereinkommen wirksam ist, ist es bedroht. Wenn wir wollen, dass die völkerrechtlichen Standards, für die wir lange gekämpft haben, erhalten bleiben, müssen wir sie immer wieder gegen Widerstände verteidigen.

Die großen Hersteller- und Besitzerstaaten sind nun darum bemüht, die Wirkung Oslos auf sie selbst auszuhebeln. Wie man das am besten macht, lässt sich zurzeit in Genf bei den Verhandlungen zum VN-Waffenübereinkommen beobachten. Dort setzen sich einige Nichtvertragsstaaten für neue Standards ein, die das umfassende Verbot von Streumunition untergraben würden. Um sich dem Wirkungsradius von Oslo zu entziehen, soll ein zweiter, laxer völkerrechtlicher Referenzrahmen geschaffen werden, in den Nichtvertragsstaaten dann entweichen können. Herr Kollege Fritz, Herr Kollege Schnurr, es ist eben nicht so, dass eine weitere völkerrechtliche Norm zu Streumunition schon deshalb wünschenswert sein soll, weil sich ihr mehr Staaten anschließen; denn entscheidend sind doch die Qualität und die Wirkung der Norm.

Hier würde eine von mehr Staaten durchgesetzte schlechtere Regelung eine von weniger Staaten getragene bessere Regelung verdrängen.

Insbesondere die USA ; auch darüber kann man einmal nachdenken - bemühen sich in Genf um ein Protokoll VI zu Streumunition, das nur ein Teilverbot von Munition vorsieht, die vor 1980 produziert wurde. Ein umfassendes Produktionsverbot, Zerstörungsfristen für vorhandene Bestände oder Verpflichtungen zur Opferhilfe und Minenräumung sucht man vergeblich. Sollte dieses Protokoll so verabschiedet werden ‑ es ist naiv, zu glauben, dass sich da noch viel verändern wird, hätten wir neue, schwächere Standards und eine Relegitimierung neuerer Typen von Streumunition. De facto würde ein großer Teil dieser Waffen somit wieder für legal erklärt.

Zwar wären Deutschland und andere Vertragsstaaten weiter an Oslo gebunden ‑ Sie haben recht, Herr Kollege Fritz; das hat auch niemand bestritten ‑, anderen Staaten aber, die außerhalb des Vertragsregimes stehen wie die USA, Russland, China, Israel oder Indien, wären die Produktion und der Einsatz von Streumunition auf einmal völkerrechtlich erlaubt. Das würde nicht nur der US-Regierung ermöglichen, ihr Streumunitionsarsenal auch noch mit Hinweis auf das Völkerrecht zu modernisieren. Wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz völlig zu Recht feststellt, würde damit ein Präzedenzfall im humanitären Völkerrecht geschaffen. Dann würde eine schwächere Norm zu einem Waffentyp vereinbart, für den es bereits höhere Standards gibt. Bisher gab es einen solchen Rückschritt nicht, und ich glaube, den kann man sich auch nicht wünschen.

Ich kann nur hoffen, dass der dringende Appell aus der Zivilgesellschaft von der Bundesregierung erhört wird, einem solchen Protokoll nicht zuzustimmen. Bisher hat sich die Bundesregierung in dieser Frage nämlich leider nicht als eiserne Verfechterin der Oslo-Konvention hervorgetan. Im Gegenteil: Sie setzt sich weiter für ein Protokoll zu Streumunition ein. Damit nimmt sie eine Aufweichung des Verbots von Streumunition billigend in Kauf und verspielt leichtfertig die abrüstungspolitische Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik. Damit nehmen Sie jeglichen Druck von anderen Staaten, dieser Konvention beizutreten.

Es ist daher nun am Deutschen Bundestag, sich gegen eine Aufweichung des Verbots von Streumunition auszusprechen. Die grüne Bundestagsfraktion hat hierfür einen Antrag erarbeitet, den wir gemeinsam mit der SPD zur Abstimmung stellen. Wir bitten um Ihre Stimme für diesen Antrag und damit um Ihre Stimme gegen eine Zustimmung Deutschlands zu einem verheerenden Protokoll zu Streumunition.

 

Vielen Dank.