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Rede zur Verlängerung der Ausbildungsmission EUTM Mali

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es lohnt sich, einen Blick auf den Beginn dieser Mission zurückzuwerfen. 2013 hat sich die Europäische Union für die Ausbildungsunterstützung der malischen Sicherheitskräfte entschieden. Damals war die Lage so, dass ein Teil der Armee gewaltsam geputscht hatte, nachdem der Norden des Landes von Rebellen und Terroristen überrannt worden war. Die Armee war in einem sehr schlechten Zustand.

Ausbildung muss auch Ausbildung mit Anspruch heißen. Es geht nicht nur darum, militärische Grundfertigkeiten zu vermitteln, sondern auch um solche Dinge wie die Einhaltung der Menschenrechte oder des Völkerrechts. Das Ziel ist sehr ehrgeizig: eine miteinander funktionierende Truppe, in der auch verfeindete Gruppen in gemeinsamen Strukturen handeln, die politisch kontrolliert ist und die sich vor allem dem Schutz der Bevölkerung verpflichtet fühlt. 

2012 wäre es sicherlich unvorstellbar gewesen, was vor kurzem stattgefunden hat und schon vom Minister erwähnt worden ist, nämlich, dass trotz zahlreicher Verzögerungen und Rückschläge gemeinsame Patrouillen der Rebellengruppen und der malischen Streitkräfte im Norden stattgefunden haben. Das ist sicherlich ein kleiner Lichtblick. 

Heute beraten wir erneut über eine Verlängerung, und das zeugt von Realismus. Ich kann mich noch erinnern, wie am Anfang dieser Mission einige meinten, der Zeithorizont würde zwei bis vier Jahre beinhalten, bis die Aufgabe erfüllt sein würde. Wir Grüne haben damals schon gesagt, dass es hier einen langen Atem und viel Geduld und Engagement braucht. 

Zu einer realistischen Sicht gehört aber auch ein klares Bild von den Gefahren, Grenzen und Chancen von Ausbildung. Eine nachhaltige, gut konzipierte und engagierte Ausbildung kann ein, aber eben nur ein Baustein auf dem Weg zu einer Stabilisierung sein. Ob Irak, Somalia oder Mali: Bei der Bundesregierung hat man den Eindruck, dass das Schlagwort „Ertüchtigung“ ihre Standardantwort auf viele Krisen dieser Welt ist. Wir Grüne sagen dazu nicht blind Ja und auch nicht reflexartig Nein, sondern wir prüfen jeden Einzelfall sehr sorgfältig und sehr kritisch. Heute Abend werden wir auch über die Ausbildungsmission in Somalia abstimmen. Dieses Mandat werden wir als Grüne sehr klar ablehnen, während wir in den vergangenen Jahren bei Mali immer zugestimmt haben.

Ausbildung und Militäreinsätze alleine können natürlich niemals einen Konflikt lösen. Zentral ist es, dass die Ursachen, die hinter einem Konflikt stehen, bearbeitet werden. Deshalb kommt es auf den Rahmen an, in dem eine solche Mission stattfindet. Dieser ist zum Beispiel in Mali sehr anders als in Somalia. Es gibt die Friedensmission der Vereinten Nationen, deren Aufgabe es ist, ein Friedensabkommen zwischen vielen Gruppen zu begleiten und zu stützen. Oder man kann es auch so zusammenfassen wie ein General, den ich auf einer meiner Mali-Reisen im Rahmen eines Besuches bei der EUTM Mission gesprochen habe. Er hat gesagt: Es geht ja gar nicht darum, die Streitkräfte so auszubilden, dass sie den Norden erobern und dauerhaft halten können. Vielmehr müssen beide Seiten endlich verstehen, dass es Frieden nur gemeinsam und nur durch Kooperation geben kann.

Ja, es gibt Lichtblicke: die gemeinsamen Patrouillen, das Friedensabkommen, den Versöhnungsprozess. Trotzdem darf man die Lage in Mali nicht schönreden. Sie ist fragil, und gerade im Norden ist sie gefährlich und instabil. Es gibt auch keine Gewissheit, dass dieses Engagement zum Erfolg führen wird. Ein großes Problem ist aktuell doch, dass alle Akteure, die an diesem Friedensprozess beteiligt sind, die Gruppen im Norden ebenso wie die malische Regierung und ihr nahe stehende Milizen, diesen Prozess oft genug mit Blick auf den eigenen Vorteil verschleppen oder gar behindern und ihn damit auch gefährden. Wenn man möchte, dass das internationale Engagement, zu dem auch diese EU-Ausbildungsmission gehört, am Ende erfolgreich sein soll, dann muss das jetzt von allen Seiten mit Nachdruck eingefordert werden, auch von der malischen Regierung. Da muss ich sagen, dass mir die sanften Worte der Bundesregierung nicht ausreichen. Da müssen Sie dringend mehr tun, und da müssen Sie mehr einfordern. Hier ist Kritik angebracht und notwendig.

Völlig fehl geht aber eine andere Kritik, die wir derzeit nachlesen und nachhören können, nämlich die des konservativen französischen Präsidentschaftskandidaten, der, offensichtlich weil er selbst unter Druck steht, fordert, dass Deutschland sich in der Sahelzone stärker militärisch engagieren müsse. Deutschland ist nicht nur im Rahmen vieler ziviler Projekte und im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit vor Ort, sondern beteiligt sich auch an der EU-Ausbildungsmission und der VN-Friedensmission in einem erheblichen Maße, gerade durch den Einsatz der Aufklärungsfähigkeiten und der Hubschrauber. Wer das tut und sich hier in hohem Maße einbringt, der kann auch Ansprüche an den französischen Freund und Partner stellen. Die Bundesregierung ist aber nicht bereit, hier Kritik zu äußern. Es wäre doch ein erster Schritt, einmal ein Mindestmaß an Transparenz über die französischen Antiterroroperationen in der Region herzustellen.

Es muss auch klar sein, dass eigene Interessen nicht über das Ziel gestellt werden dürfen, eine friedliche Zukunft für die Menschen in Mali zu erreichen. Ich möchte mich bei allen bedanken, die sich dafür in einem sehr gefährlichen Umfeld engagieren, ob sie es in Uniform oder ohne tun.

Denn sie liefern einen Beitrag dazu, dass die Chance besteht, dass diese Ausbildungsmission in ein paar Jahren erfolgreich ist und dass es mehr Frieden und Sicherheit in Mali gibt.

Vielen Dank.