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Rede zur Verlängerung der Ausbildungsmission EUTM Somalia

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben in der vorhergehenden Debatte über die drohenden Hungerkatastrophen im Südsudan, aber auch schon in Nigeria, im Jemen und in Somalia gesprochen. 1,4 Millionen Kinder, die vom Hungertod bedroht sind, das ist schockierend. In Somalia ist allein die Hälfte der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen. Damit sich die Hungerkatastrophe von 2011 mit 250 000 Toten nicht wiederholt, muss jetzt schnell geholfen und gehandelt werden.

Düster ist auch die Sicherheitslage. Auch wenn Al-Schabaab mittlerweile an Macht und Territorium eingebüßt hat, werden nach wie vor in hoher Regelmäßigkeit grausame Anschläge auf Regierungsgebäude, Hotels und Sicherheitskräfte verübt. Die Vergangenheit hat für die Menschen in Somalia viele Grausamkeiten, enttäuschte Hoffnungen und Rückschläge bedeutet. Viele von ihnen geben aber trotzdem die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft nicht auf, und sie gilt es zu unterstützen.

Leider ist es nicht gelungen, den neuen Präsidenten in einer freien, fairen Wahl direkt durch die Bürgerinnen und Bürger bestimmen zu lassen. Trotzdem: Insbesondere vor der Folie der korrupten Vorgängerregierung bedeuten ein neues Parlament und ein neuer Präsident auch neue Chancen. Positiv ist auch, dass Deutschland wieder Entwicklungszusammenarbeit leistet.

Aber angesichts der extrem schwierigen Lage in Somalia gibt es eine Sache, an der es da nicht mangelt: Das ist die Vielzahl der Akteure, gerade wenn es um den Sicherheitssektor geht. Die Afrikanische Union, die Europäische Union, die Türkei, Großbritannien, die USA, die Vereinigten Arabischen Emirate und sogar private Militärfirmen sind in diesem Bereich aktiv - mit ihren jeweils eigenen Interessen und auf eigene Rechnung. Was in Somalia nämlich eindeutig fehlt, das ist eine Strategie für einen nachhaltigen Aufbau politisch kontrollierter Sicherheitskräfte, die im Dienste aller Menschen stehen. 

In diesem Umfeld findet die europäische Ausbildungsmission EUTM Somalia statt. Sie wurde 2010 begonnen, hat die ersten Jahre in Uganda stattgefunden, und die Bundesregierung hat sich damals aus guten Gründen nicht daran beteiligt, weil sie berechtigte Zweifel hatte, ob diese Mission so zum Ziel führt. Statt wirklich auf eine echte und nachhaltige Neuausrichtung dieser Mission zu drängen, hat die Bundesregierung sich irgendwann entschieden, sich doch einfach daran zu beteiligen.

Im Mandat umschreiben Sie die zahlreichen Probleme, die diese Mission hat, mit der Formulierung, sie habe ihre Aufgaben nicht wirksam genug umsetzen können. Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, das ist verharmlosende Schönrederei.

In den letzten Jahren gab es eine Reihe von wirklich sehr vielen glaubwürdigen Hinweisen dazu, was bei dem Versuch, die somalische Armee auszubilden, alles schiefgelaufen ist. Es gibt die Analyse des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze, unheimlich viele Berichte, Augenzeugenberichte von Nichtregierungsorganisationen und sogar eine eigene Auswertung der Europäischen Union. Sie alle stellen dieser Mission ein verheerendes Zeugnis aus. Es gibt Berichte über uniformierte Soldaten, die die eigene Bevölkerung ausrauben, statt sie zu schützen, über Soldaten, die keinen Sold bekommen und nach der Ausbildung mit ihrer Ausstattung zu den Milizen überlaufen. Das ist wirklich kein Beitrag zu mehr Sicherheit in Somalia. 

Seit Jahren ist immer wieder die Rede von hohen Desertionsraten. Wir Grüne haben oft nachgefragt, die Linken auch. Ich lese Ihnen einfach einmal vor, was man dann so als Antwort von der Bundesregierung bekommt, zum Beispiel am 8. März dieses Jahres von Herrn Brauksiepe aus dem Verteidigungsministerium: 

Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zu Desertionen von somalischen Soldaten nach dem Abschluss ihrer Ausbildung im Rahmen der EU-geführten militärischen Ausbildungs- und Beratungsmission EUTM Somalia oder über generelle Desertionsraten in der somalischen Armee vor.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung handelt hier nach dem Motto: Was ich nicht sehen will, das gibt es einfach nicht. - Ihre Devise ist, mit einem möglichst geringen Beitrag dazubleiben, auf den ersten Blick schöne Statistiken zu präsentieren und kleine Kurswechsel als große Lehren zu verkaufen.

Da fragt man sich schon: Ist das noch naiv und blauäugig, oder ist das nicht schon verantwortungslos? 

Meine Damen und Herren, wir Grüne können dem Appell des Kollegen Wadephul nicht folgen, sondern wir appellieren an die Bundesregierung, das alles endlich ernst zu nehmen; denn so können wir dem Mandat natürlich auf keinen Fall zustimmen, und zwar nicht deshalb, weil wir die Menschen in Somalia alleinlassen wollen, sondern deshalb, weil Sie seit Jahren nicht bereit sind, die zahlreichen Fehler zu korrigieren, und so ganz sicher nicht zu einem nachhaltigen Aufbau von Sicherheitsstrukturen in Somalia beitragen.

Vielen Dank.