Agnieszka Brugger agnieszka-brugger.de

Im Wahlkreis

Neujahrsempfang in Ravensburg

Der traditionelle Neujahrsempfang von Bündnis 90/Die Grünen in Ravensburg war auch in diesem Jahr gut besucht. In meiner Rede spanne ich einen Bogen von den Anschlägen in Paris, Pegida hin zu den Auswirkungen, die deutsche Außen- und Innenpolitik auf die kommunale Ebene hat. Auch und gerade angesichts der bitteren Nachrichten aus der Welt und den großen Herausforderungen werden wir Grünen uns im Jahr 2015 weiter dafür einsetzen, dass unsere Welt ein kleines bisschen friedlicher, ökologischer, sozialer und besser wird und die Hoffnung und die Freiheit nicht verloren geht.

 

Hier meine vollständige Rede:

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

liebe Gäste, 

normalerweise ist der Jahresanfang eine Zeit, in der neue Vorsätze getroffen werden, auch wir Grüne legen die politischen Schwerpunkte für das noch junge Jahr fest. Der Jahresanfang ist somit auch immer eine Zeit der Hoffnung und des Aufbruchs. 

Doch dieses Jahr lief alles anders, 2015 beginnt mit einem Schock und tiefer Trauer: Die Ermordung von 17 Menschen in Frankreich hat uns alle, hat Millionen von Menschen auf der Welt bis ins Mark erschüttert. Der Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ ist ein blutiger Akt des Terrorismus, ebenso der gezielte Angriff auf die Kunden und Beschäftigten eines jüdischen Supermarktes in Paris sowie die Morde an den Polizisten. 

Unser tiefstes Mitgefühl und unsere Solidarität gelten den Angehörigen der Opfer, den Verletzten, ihren Familien und Freunden, aber auch der französischen Gesellschaft. Diese Attentate waren aber nicht nur grauenvolle Morde, sondern ein Angriff auf unsere demokratischen Grundwerte, ein Angriff auf unsere freie Gesellschaft, auf unsere Meinungsfreiheit- und Pressefreiheit, auf Toleranz, Vielfalt und Humor. 

Es hat mich sehr berührt, dass die Antwort auf den Terror eine Welle der Solidarität war und europaweit Millionen von Menschen gemeinsam auf die Straße gingen. 

Liebe Gäste, die Stärke unserer Demokratie beweist sich gerade jetzt in einer entschlossenen, rechtsstaatlichen und besonnenen Reaktion.

Hier in Deutschland lösten die Anschläge leider auch wieder die alten Reflexe aus: der Ruf nach mehr Kontrolle und Überwachung war unüberhörbar. Doch unser Rechtsstaat darf sich jetzt nicht davon abbringen lassen, unsere Freiheit zu verteidigen. Denjenigen, die unnötige oder verfassungswidrige Gesetzesverschärfungen fordern, halten wir das entgegen, wogegen sich auch die Anschläge richteten: Freiheit und Bürgerrechte.

Es ist unsäglich, wenn jetzt - auch in Deutschland - Stimmen laut werden, die diese schrecklichen Anschläge für eine Politik der Ressentiments gegen Muslimas und Muslime instrumentalisieren oder Stimmung gegen Ausländer und Flüchtlinge in Deutschland machen. Wer das tut, verrät europäische Errungenschaften und Werte. 

Wir werden es nicht zulassen, dass die große Mehrheit der friedlichen Muslimas und Muslime in Deutschland und Europa in Haftung genommen wird für die Verbrechen Einzelner. 

Meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

bereits seit dem 8. Dezember letzten Jahres demonstrieren in Deutschland einige tausende Menschen, die offen ausländerfeindliche Ressentiments schüren und Front Migrantinnen und Migranten machen. Es ist doch zynisch, dass diese Menschen, die einerseits Lügenpresse skandieren, zu einem Trauermarsch aufrufen, um der linksliberalen Satiriker von Charlie Hebdo zu gedenken.

Mit dem Ruf „Wir sind das Volk!“ versuchen diese Demagogen von Pegida  zudem die DDR-Bürgerrechtsbewegung schamlos zu vereinnahmen. 

Die echten Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler von damals erwiderten den selbsternannten „Verteidigern des Abendlandes und christlicher Werte“ darauf in einem klaren und provokativen Gedicht: „Jesus hätte gekotzt, hätte er euch getroffen“. 

Glücklicherweise stellen sich der Pegida Gewerkschaften, Kirchen, Vereine, die meisten Parteien bis auf die AfD und einem Teil der CSU und Erika Steinbach, vor allem aber abertausende Bürgerinnen und Bürger immer wieder entgegen. Sie zeigen in vielen Städten, dass in Deutschland Menschen aus allen Religionen friedlich zusammenleben, dass wir in einer weltoffenen und toleranten Republik der Vielfalt leben wollen. Auch wir Grüne kämpfen seit unserer Gründung für eine offene und vielfältige Gesellschaft. Islamhasser, fremdenfeindliche Parolen und Flüchtlingsgegner haben hier in Deutschland  keinen Platz.

Liebe Freundinnen und Freunde, meine Damen und Herren, neulich hat mich eine Journalistin gefragt, ob es mir nicht manchmal schwerfallen würde, in zwei so unterschiedlichen Welten zu leben: dort die große wichtige Außen- und Sicherheitspolitik mit all ihren schrecklichen Krisen und dem Leid, hier die Themen und Sorgen der Menschen in meinem Wahlkreises, die daneben doch klein wirken müssten.

Ich habe erst nicht ganz verstanden, was diese Frage meinte, weil ich das selbst völlig anders sehe. Nicht nur weil ich selbst so unheimlich wütend bin,  dass die Bundesregierung – entgegen der leeren Beteuerungen der CDU-Abgeordneten aus den Nachbarwahlkreisen - die längst überfällige Elektrifizierung der Südbahn wieder einmal blockiert und um weitere Jahre zu verzögern droht. Das ist inakzeptabel und ich habe keine Lust mehr auf leere schwarze Versprechen und Augenwischerei, denn es ist höchste Eisenbahn für die Elektrifizierung der Südbahn! 

Ich habe die Frage der Journalistin auch aus einem anderen Grund nicht wirklich verstanden. In einer Welt, die in den letzten Jahren über die Globalisierung und Digitalisierung immer näher zusammengerückt ist, gibt es diese Trennung von Außen- und Innenpolitik nicht mehr. 

In einer Region wie Bodensee-Oberschwaben, in der es viele Rüstungsunternehmen gibt, ist es den Menschen eben nicht egal, wohin Merkel diese Waffen verkaufen lässt. Es ist ihnen nicht gleichgültig, dass auch eine Regierung von  Union und SPD den Profit einzelner Unternehmen über Frieden, Sicherheit und Menschenrechte stellt. Dieser hochgefährliche und sicherheitspolitische Irrsinn, der Konflikte auf der Welt noch weiter verschärft, muss endlich ein Ende finden! 

Meine Damen und Herren,

die Krise in der Ukraine und die Anschläge von Paris, diese Gewalt findet nicht nur räumlich ganz nah bei uns statt. Diese Gewalt stellt jahrelange Gewissheiten in Frage –in dem  Konflikt mit Putin die europäische Friedensordnung, die viele Menschen für selbstverständlich hielten oder die gefühlte Sicherheit, in der wir vor den Terrorattentaten in Frankreich zu leben meinten.. Diese Gewalt, sie macht etwas mit allen von uns,  mit unserer Gesellschaft und sie erfüllt viele Menschen mit Sorgen. Die grauenhaften Ereignisse in Paris lassen sich nicht ohne den Zusammenhang mit der  Gewaltspirale in Syrien und im Irak, nicht ohne das barbarische Assad-Regime und die brutale, mörderische Terrorherrschaft von ISIS verstehen.

Meine Damen und Herren,

Die grauenvollen Bilder aus dem Irak und Syrien, sie lassen auch die Bürgerinnen und Bürger in Ravensburg, Wangen und Bad Waldsee eben nicht kalt. Die Menschen, die diesem Leid und Grauen entfliehen konnten, sie kommen zu uns. Sie bitten um und sie brauchen unsere Hilfe und Unterstützung.

Ich bin nach vielen Gesprächen und Begegnungen hier vor Ort schwer beeindruckt, von der Welle der Offenheit und Wärme mit der so viele Menschen hier bei uns diejenigen aufgenommen und willkommen geheißen haben, die gezwungen waren ihre Heimat zu verlassen. Es haben sich unheimlich viele wunderbare HelferInnenkreise gegründet und ich möchte mich auch besonders bei allen grünen Kommunalas und Kommunalos von euch bedanken, die sich in den letzten Monaten mit so viel Engagement und mit so viel Herzenswärme für die Flüchtlinge eingesetzt und mit viel Idealismus, Kreativität und Pragmatismus die Herausforderungen, die es gab, angegangen sind. 

Wie unser Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagt, ist diese Stimmung in der Zivilgesellschaft die wichtigste und wertvollste Ressource, die wir haben, und es muss oberstes Ziel der Politik sein, sie zu erhalten und zu stärken. 

Und daher bin ich froh, einen Ministerpräsidenten zu haben, der das Thema zur Chefsache erklärt hat und damit zeigt, dass es eben sehr wohl einen Unterschied macht, ob grün regiert oder nicht. Der mit vielen Initiativen dafür sorgt, dass die Kommunen mit den Herausforderungen nicht alleine gelassen werden, anders als  es SPD und Union in der Bundesregierung  leider tun. 

Meine Damen und Herren,

Ob in Haisterkirch oder Syrien, in Weingarten oder in Afghanistan: In jedem Flüchtling begegnet uns das Leid der Kriege dieser Welt. 

Das Jahr 2014 war ein besonders schweres Jahr für die Friedenspolitik. 

Bis heute halten uns die vielen Krisen und Kriege in Atem: doch ob in Syrien, im Irak, im Südsudan, in der Zentralafrikanische Republik, in Mali oder in der Ukraine. Während die Medien in Europa über die Attentate von Paris berichteten, fielen dem brutale Terror der Boko Haram in Nigeria mehrere hunderte Menschen zum Opfer, als die Stadt Baga unter den grauenhaftesten Menschenrechtsverletzungen überfallen wurde.  

Gerade in so unfriedlichen Zeiten, wie wir sie leider erleben, brauchen wir eine verantwortungsvolle Friedenspolitik, die sich für den Schutz der Menschenrechte, für internationale Gerechtigkeit, Solidarität und ein Ende der Gewalt einsetzt. 

Die das mutig, engagiert und frühzeitig tut und sich nicht erst mit Krisen beschäftigt, wenn die Medien gerade berichten, Gewalt eskaliert, die Flüchtlingszahlen unvorstellbar hoch sind und dann in hektischen Aktionismus ausbricht. Die nicht erst dann handelt, wenn fast nur noch die immer schwierige Frage bleibt: Militärisch eingreifen oder nicht? – die man nicht einfach mit „Ja“ und auch nicht pauschal mit „Nein“ beantworten kann.

Liebe Gäste, Liebe Freundinnen und Freunde,

eine Neujahrsrede darf aber trotzdem nicht ganz ohne Ausblick enden, erst recht nicht wenn die politischen Herausforderungen so groß und die aktuellen Nachrichten aus aller Welt bitter sind. 

Wir Grüne haben eine Vision von einer ökologischen, sozialen und friedlichen Zukunft, für die wir als Oppositionspartei im Bundestag konstruktiv und kritisch gegen eine rückwärtsgewandte Bundesregierung streiten. Unsere Ideen,  die wir als Landesregierung mit viel Eifer und Engagement hier in Baden-Württemberg konkret auf den Weg bringen und Realität werden lassen.  Ob in Berlin, in Stuttgart, in Oberschwaben oder im Allgäu - wir werden niemals müde,  Wege aus der Klimakrise zu suchen und zu finden und für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen zu streiten. Und gerade jetzt, wo einige wenige versuchen mit falschen Informationen, mit Angst und mit Hass die Grundlagen unserer Gesellschaft zu gefährden, werden wir Grüne gemeinsam – wie wir es seit unserer Gründung vor 35 Jahren tun – noch mehr für Freiheit, Empathie, Toleranz, Vielfalt und Humor einsetzen. 

Ob in der Regierungsarbeit oder in der Opposition, wir arbeiten an der Agrarwende und an mehr  Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur und Bildung, für einen Durchbruch bei der Lösung  der Klimakrise, für globale und soziale Gerechtigkeit, an einer offenen Gesellschaft und für eine grüne Transformation der Wirtschaft. Dass, liebe Freundinnen und Freunde, sind unsere ambitionierten Ideen, die wir auch und erst recht 2015 tatkräftig und mit viel Herz, Leidenschaft und Verstand anpacken wollen – damit Baden-Württemberg, damit Deutschland, ja, damit die Welt ein kleines bisschen friedlicher, ökologischer, sozialer und besser wird und die Hoffnung und die Freiheit nicht verloren geht.  

Herzlichen Dank!

 

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