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Persönliche Erklärung zur Abstimmung über den Afghanistan-Einsatz RSM

Persönliche Erklärung der Abgeordneten Agnieszka Brugger

nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses über den Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte in Afghanistan (BT-DRS: 19/17287)

Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr gehört zu den schwierigsten Entscheidungen, die Abgeordnete des Deutschen Bundestages zu treffen haben. Sie fordert wie kaum eine andere das Gewissen und Herz der Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Den in Afghanistan eingesetzten Soldatinnen und Soldaten und zivilen Helferinnen und Helfern und ihren Familienangehörigen möchten wir für ihren persönlichen Einsatz unter gefährlichen Bedingungen danken und ihnen meine Wertschätzung aussprechen.

Der Blick auf fast 20 Jahre Engagement in Afghanistan tut weh

Bei aller Verbundenheit und Betroffenheit muss man mit einem realistischen Blick leider feststellen, dass das militärische Engagement trotz vieler Strategiewechsel keine Erfolgsperspektive mehr hat. Es ist bitter, aber von nachhaltigen Frieden und dauerhafter Stabilität ist Afghanistan trotz des Einsatzes der internationalen Gemeinschaft noch weit entfernt.

Die Sicherheitslage im Land verschlechtert sich in vielen Regionen. Im afghanischen Militär und bei der Polizei gibt es eine extrem hohe Desertationsrate, die Ausbildungsbemühungen für die Sicherheitskräfte sind leider keine Erfolgsgeschichte.  Die Klientelpolitik und die Rivalitäten der politischen Eliten und massive Korruptionsprobleme haben dazu geführt, dass viele Menschen in Afghanistan bitter enttäuscht über ihre Regierung sind. Die letzten Präsidentschaftswahlen sind überschattet von Betrugsvorwürfen und endeten wieder in einem politischen Patt.

Die fatalen militärischen Strategiewechsel in den Vorgängermissionen und der nationale Anti-Terrorkampf der USA haben die Erfolgsperspektiven des Einsatzes weiter verringert. Obwohl der Kampf gegen die Taliban auch nach Einschätzung von NATO und US-Militär nicht militärisch gewonnen werden kann, haben die USA im vergangenen Jahr so viele Bomben über Afghanistan abgeworfen wie nie zuvor.

Die jahrelange Dominanz militärischer Ansätze gegenüber zivilen Lösungen, ein fehlendes entwicklungspolitische Konzept sowie eine fehlende Exit-Strategiegehören zu den Fehlern der deutschen Afghanistanpolitik.  

 

Es braucht einen verantwortungsvollen Abzugsplan

Die Bundesregierung hat Jahr für Jahr nur leere Durchhalteparolen präsentiert, den hochgefährlichen Einsatz immer wieder verlängert und die 2016 von der NATO beschlossene zeitliche Entfristung des Afghanistaneinsatzes mitgetragen. Nun haben die USA einen Abzug eines Teiles ihrer Soldatinnen und Soldaten in den Raum gestellt, möglicherweise über 4.000 Soldatinnen und Soldaten in wenigen Monaten.

Statt sich mit der schwierigen Realität im Land und der Abzugsankündigung von Donald Trump auseinanderzusetzen, legt die Bundesregierung erneut ein nahezu unverändertes Mandat vor. Die Bundesregierung konnte bis zum Zeitpunkt der Abstimmung nicht wirklich darlegen, welche Planungen sie hinsichtlich der Abzugsszenarien vorbereitet hat. Mit diesem Mandat verpasst die Bundesregierung einmal mehr die Chance, einen Abzug aus Afghanistan klug vorzubereiten.

 

Weiter Verantwortung in Afghanistan übernehmen

Alle politischen Kräfte müssen sich nun ernsthaft mit der Frage auseinander setzen, wie eine verantwortungsvolle Afghanistanpolitik nach dem Ende dieses Militäreinsatzes aussehen soll. Die internationalen Verpflichtungen für den zivilen Wiederaufbau müssen auch über einen Abzug hinaus im Rahmen der Möglichkeiten eingehalten werden. Das langfristige Engagement Deutschlands in Afghanistan muss einen Schwerpunkt auf Bildung, Wirtschaftsförderung und Rechtsstaatlichkeit legen. Terrorismus kann militärisch nicht besiegt werden.  

 

Für wirklichen Frieden braucht es inklusive Verhandlungen

Die Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban haben zumindest für eine kurze Zeit zu einem Rückgang der Gewalt geführt. Viele der getroffenen Vereinbarungen werfen große Fragen auf. Ob dieses Verhandlungsergebnis wirklich zu mehr Sicherheit und einem echten Friedensprozess führt, ist mehr als offen. Es ist aber eine große Schwäche, dass dieser Prozess ohne die afghanische Regierung und die Zivilgesellschaft stattgefunden hat. Die Bundesregierung muss nun alles dafür tun, um diese Fehler so weit wie möglich zu korrigieren und sich insbesondere dafür einsetzen, dass Frauen mit am Verhandlungstisch sitzen.

 

Afghanistan-Einsatz kritisch reflektieren

Es gehört auch zu einer ehrlichen Debatte, die militärischen Einsätze in Afghanistan kritisch zu reflektieren. Deshalb ist eine tiefgehende, umfangreiche, unabhängige und kritische Evaluation der Einsätze unablässig, um militärisches, aber auch ziviles Engagement auszuwerten.

Wir selbst haben immer wieder einen Abzugsplan gefordert, dieser muss aber klug und verantwortungsvoll gestaltet sein. Auch wenn unsere Ablehnung dieses Einsatzes nicht als Forderung nach einem Sofortabzug zu verstehen ist, lehnen wir – insbesondere vor dem angekündigten Abzug der USA - ein verantwortungsloses Weiter-so des deutschen Militäreinsatzes in Afghanistan ab. Man kann einen Einsatz nach fast 20 Jahren nicht einfach immer weiter verlängern, wenn schon lange klar ist, dass er keine Erfolgsperspektive mehr hat. Deswegen werden wir das vorliegende Mandat ablehnen.

 

Hier geht es zu meiner Persönlichen Erklärung zur namentlichen Abstimmung über die Verlängerung der Resolut Support Mission in Afghanistan.

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