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Reisebericht Taiwan

Ich bin zurück aus Taiwan - Was für ein bezaubernde, faszinierende Insel. Entspannt und freundlich. Coole Kultur, wichtigster Standort für die modernste Halbleiterindustrie der Welt und wunderschönste Natur (die wir aufgrund des extrem vollen politischen Programms jedoch gar nicht gesehen habe).

Aber vor allem eine starke Demokratie, in der die Menschen einfach in Frieden und Freiheit leben wollen. Und die immer mehr stärker den Aggressionen Chinas ausgesetzt sind und sich deshalb sehr nachvollziehbar große Sorgen um ihre Demokratie, Freiheit und Sicherheit machen. Besonders nach all dem, was den Menschen in Hongkong angetan wurde.

Man kann über diese Fragen und über Menschenrechte sprechen oder sich naiv wie Markus Söder zur Spielfigur einer Pretzel- und Panda-Propaganda auf seiner Reise nach China machen. (Nichts gegen Bretzeln und Pandas in anderen Kontexten).

Wir waren definitiv das Kontrastprogramm zu Söders Chinareise, für die nicht nur ich mich fremdgeschämt habe, wenn ich mich so im Netz umschaue. Hatte wirklich Gerhard Schröder Charakter.

Aber zurück zu unserer Reise und das wird etwas länger. Ich wollte aber mal etwas persönlicher erzählen, warum mich diese Reise so bewegt hat und erklären, warum uns alle interessieren sollte, was dort gerade passiert.

Was eine Ehre und Geste der Freundschaft, dass uns (aus dem Europaparlament Reinhard Bütikofer und Heidi Hautala und aus dem Bundestag Boris Mijatovic, Till Steffen und ich) sowohl die demnächst aus dem Amt scheidende Präsidentin Tsai Ingwen empfangen hat (als Person hat Sie echt viel Coolness und einen großartigen trockenen Humor, der mich an Angela Merkel erinnert hat) als auch die Vice President-elect Bikhim Hsiao zu unserem Abendessen mit dem Außenminister Joseph Wu erschienen ist. Eine ebenfalls sehr beeindruckende Frau und ein bereichernde Gespräch über die Weltlage.

Das waren nur die absoluten Highlights, es gab noch eine Reihe weiterer sehr hochrangiger Vertreter*innen aus den vier Gewalten Taiwans und allen drei relevanten Parteien, die uns empfangen haben. Aber natürlich auch viele Gespräche mit sehr klugen Menschen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien.

All das haben wir dem großartigen Delegationsleiter Reinhard Bütikofer zu verdanken, der sich mit seiner Herzlichkeit, Hartnäckigkeit und Leidenschaft, mit Klartext und demokratischem Fingerspitzengefühl, mit seinem riesigen Erfahrungsschatz und einem so beeindruckend tiefen Wissen über Jahre einen Ruf als einer der größten Freunde Taiwans erarbeitet hat und deshalb über ein grandioses Netzwerk von Freund*innen in allen Ländern des Indopazifik, aber eben auch besonders in Taiwan verfügt.

Tausend Dank für deinen Einsatz und das Angebot, dich begleiten zu dürfen, lieber Reinhard!

Mit unserer Reise haben wir drei zentrale Ziele verfolgt:

1. Dazulernen.

Mehr erfahren über die vielschichtige Realität in der Politik und Gesellschaft Taiwans.
Und es gab sehr viel von dem ich mich auf dieser Reise inspirieren lassen konnte und was wir von Taiwan auch lernen können, gerade wenn es um Digitalisierung und den Schutz unserer Demokratie vor Desinformation geht. Sehr viele konkrete Ideen mitgenommen.
In Taiwan spricht man aber sogar schon von Information oder Cognitive Warfare. Taiwan ist da viel weiter als wir und hat das bei den Wahlen jüngst bewiesen. Besonders inspiriert hat mich dazu das Gespräch mit der wunderbaren, weltweit gefeierten Digitalministerin Taiwans Audrey Tang.‬ 

2. Kooperation verstärken.

Mir fällt kaum ein Politikfeld ein, wo das nicht ein echter Gewinn für beide Seiten wäre, auch wenn es gerade wirtschaftlich und insbesondere mit dem Bau eines neuen TMSC Lab in Dresden schon einiges an erfolgreicher Zusammenarbeit gibt. Ob es um Erneuerbare Energien, Schutz des IT-Raumes, Resilienz in der Gesellschaft, Menschenrechte oder Forschung und Bildung geht. Dabei nehmen wir konkrete Beispiele mit, aber haben auch einige Hindernisse gesehen, die es abzubauen gibt.
Grundsätzlich sollten wir den Austausch der Parlamente, der Parteien und auch der Menschen weiter verstärken.

3. Solidarität unter Demokratien zeigen und danach handeln

Die Menschen in Taiwan werden durch die immer weiter eskalierende Aggressionen und Attacken Chinas bedroht - von den offen ausgesprochenen Drohungen Xi Jinpings, militärischen Manövern bis hin zu heftiger Desinformation in Rahmen der Wahlen - eine Strategie, die eine Reihe von Maßnahmen aus der Greyzone Area oder hybride Kriegsführung wie man das im Fachjargon zurückgreift. Und dabei wird das Tempo und die Schwere der Übergriffe von Jahr zu Jahr erhöht.

Immer wieder wird unter Expert*innen das Szenario diskutiert, dass es zur weiteren Eskalationen kommen und China versuchen könnte, die Insel brutal abzuriegeln oder sogar mit massiver militärischer Gewalt direkt angreifen könnte. Auch wenn es sehr unterschiedliche Auffassungen dazu gibt, wie wahrscheinlich diese schlimmsten Szenarien sind und wann sie eintreten könnten.
Umso mehr sollten dringend jetzt hinschauen, all die Attacken, die gerade schon stattfinden, klar verurteilen und auch konkret handeln und Taiwan dabei unterstützen, sich besser wehren zu können.

Denn uns verbinden einerseits Werte wie von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Und andererseits haben wir ein großes eigenes Interesse daran, dass nicht noch ein weiterer Staat versucht mit der vermeintlichen Kraft des militärisch Stärkeren und Brutaleren, seinen unschuldigen friedlichen Nachbarn zu überfallen und die Stärke des Rechts durch das Recht des Stärkeren zu ersetzen. So wie Putin es in der Ukraine versucht. Und so unterschiedlich Russland und China und die Situation in ihren Nachbarschaften sind, so lassen sich doch auch jetzt schon einige Parallelen zu den Jahren vor der schrecklichen russischen Vollinvasion in der Ukraine ziehen, die uns alle zutiefst alarmieren müssen.

Sollte es zu einer militärischen Auseinandersetzung in der Straße von Taiwan kommen, würden zuallererst die Menschen in Taiwan furchtbar leiden, aber auch die Folgen für unsere Wirtschaft und die globalen Lieferketten wären verheerend. Das würde den Alltag der Menschen in Deutschland nochmal viel härter treffen als die Auswirkungen des brutalen russischen Angriffskrieges in der Ukraine.

Aber auch über die Situation in Taiwan hinaus hat Chinas expansive und aggressive Politik schon eine Reihe von anderen Staaten getroffen. Sei es die Situation im Südchinesischen Meer, sei es mit Blick auf Vietnam, Indien oder die Philippinen, Australien oder Litauen.

Und deshalb ist unsere klare Botschaft: unser deutsches und europäisches Ziel ist es, Frieden, Sicherheit und Stabilität mit all unseren Möglichkeiten und in enger Abstimmung mit unseren vielen Partnern und Freunden im Indo-Pazifik zu unterstützen. Was das genau heißt, haben wir in den deutschen Indo-Pazifik-Leitlinien und der neuen Chinastrategie ausbuchstabiert. Beides sehr lesenswerte Dokumente mit vielen wichtigen Bausteinen.
So sollten wir dringend, um freier und souveräner handeln zu können, unsere Abhängigkeiten und Risiken in unserer Wirtschaft und Lieferketten schnell reduzieren.

Im diesem Jahr werden die Deutsche Marine und Luftwaffe wieder zu Besuchen und gemeinsamen Übungen aufbrechen, um Flagge zu zeigen für das Völkerrecht, die Freiheit der Schifffahrt und unsere Verbundenheit mit der Region.

Ich erlebe sehr viel Zustimmung, gar Freude bei unseren vielen Partnern und Freunden in der Region mit Blick auf diese Mission. Es sollte uns in jeder Hinsicht nicht egal sein, was in der Straße von Taiwan und im Indopazifik passiert.

Es ist an der Zeit, dass die Demokratien zusammenhalten und sich verbünden. Auf noch mehr Kooperation, Menschenrechte und gemeinsam mit anderen friedlichen Staaten eine gestärkte, solidarische und faire Weltordnung erhalten und gestalten, von der am Ende alle einen Vorteil haben.
Nur so können wir globale Probleme wie die Klimakrise angehen, nur so können wir Frieden und Sicherheit auf der Welt schützen. Und wer das begreift sieht sehr schnell, dass jemand wie Markus Söder von kluger Außenpolitik, nachhaltiger Wirtschaftspolitik und harter Sicherheitspolitik offensichtlich wenig Ahnung hat. Unsere Werte und Interessen sind untrennbar miteinander verknüpft und kein Gegensatz.