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Meine Bundestagsrede vom 04.06.2025

Sehr geehrter Herr Präsident! 

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! 

Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Haben Sie sich überhaupt bedankt?“ - Mit Entsetzen schaute die Welt auf diese zynische Frage von Vizepräsident Vance an den ukrainischen Präsidenten Selenskyj. 

Diese Szene im Oval Office hat etwas mit vielen Transatlantikerinnen und Transatlantikern gemacht, aber auch die Tage, an denen die USA das Teilen von Geheimdienstinformationen mit der Ukraine eingestellt haben, während Donald Trump unterwürfige Tweets an den Kriegsverbrecher Putin schickte, die Strafzölle für engste Partner, die Drohungen gegenüber Kanada, Grönland und Panama. 

Und auch im eigenen Land will die Trump-Regierung vor allem Macht und Härte demonstrieren und anderen ihren Willen aufzwingen. Familien werden durch die grausame Migrationspolitik wieder auseinandergerissen. Die Trump-Administration bricht Regeln und missachtet unabhängige Gerichte. Der Präsident erpresst und bestraft Widerspruch aus den freien Medien, aus den freien Universitäten und von politisch Andersdenkenden. So sieht Meinungsfreiheit nicht aus. 

Die Angst in großen Teilen der Gesellschaft ist sehr real und sehr spürbar, und sie ist von dieser Regierung ideologisch gewollt. Man kann jetzt versuchen, das alles aufgrund offensichtlicher Abhängigkeiten und aus Angst zu ignorieren. Weiter beste Freunde, alles beim Alten - so liest sich jedenfalls Ihr schwarz-roter Koalitionsvertrag, und auch Kanzler Merz und Außenminister Wadephul wirken an vielen Stellen in wichtigen Punkten regelrecht sprachlos oder gar unterwürfig. 

Meine Damen und Herren, das Bittere ist doch: Präsident Selenskyj hat sich immer wieder bedankt. Die Ukraine ist ein treuer Verbündeter, hält sich an alle Abmachungen, unterschreibt sogar ein Rohstoffabkommen zu ihren Ungunsten. Und Hand aufs Herz: Glauben Sie nach den Erfahrungen der letzten Wochen, dass, wenn die Gespräche in Istanbul scheitern sollten, Donald Trump sich für die Ukraine und die EU oder nicht doch eher für seine Bromance mit Wladimir Putin entscheiden wird? - Je nachdem, wie man diese Frage beantwortet, kommt man auch zu völlig unterschiedlichen Schlussfolgerungen, was zu tun ist. Dann werden Wegschauen und Schmeicheln schnell zu problematischen Strategien; denn es gibt nie genug Aufmerksamkeit, nie genug Macht für jemanden, der mit den Methoden eines Schulhof-Bullys arbeitet. 

Deshalb müssen Sie, Herr Bundeskanzler, die deutschen und europäischen Interessen in Washington mit Selbstbewusstsein und Stärke vertreten. Denn man darf die Politik von Donald Trump nicht verharmlosen, man darf aber das transatlantische Verhältnis auch nicht allein auf ihn und seine Gefolgschaft reduzieren und dabei die engen jahrzehntelangen Bande unserer Gesellschaften vergessen. Es liegt an uns, gerade jetzt unsere vielen Partnerinnen und Partner in den USA nicht im Stich zu lassen; denn echte Transatlantiker/-innen wissen, dass unsere tiefe Freundschaft mit den Menschen in den USA auf Regeln, auf Verantwortung, auf Demokratie und vor allem auf Freiheit begründet wurde. 

Meine Damen und Herren, ich will aber auch selbstkritisch sagen: Wir alle hätten in Europa viel früher viel mehr tun müssen. So viele vermeintliche Weckrufe und dann doch die alte Behäbigkeit und die Hoffnung, dass alles doch irgendwie schon gut gehen wird! Wir müssen jetzt überzeugend klarmachen, dass auch die USA auf unsere Partnerschaft nicht verzichten sollen; denn mit einem solchen Kurs schadet Donald Trump am Ende auch seinem eigenen Land. 

Bei „America First“ übersieht er, wie schwach das immer noch mächtigste Land der Welt mit „America Alone“ am Ende dastehen wird. Das zeigt auch die aggressive Zollpolitik jenseits der wirtschaftlichen Kosten. Führende Republikaner haben ja vor ein paar Wochen in Washington versucht, mir zu erklären, das sei doch voll der Erfolg gewesen. Aber der größte Fehler dieser Rechnung ist folgender: Man verbrennt die wichtigste Währung in der Politik, gerade in der internationalen Politik, und das ist das Vertrauen vor allem bei den engsten Partnern. 

Erratische Erpressungspolitik führt dazu, dass sich im ersten Schreck alle miteinander verbünden, nicht in erster Linie gegen die USA, sondern um sich selbst zu schützen. Und im nächsten Schritt sorgt man dafür, dass Abhängigkeiten reduziert werden, damit man nicht erpressbar bleibt. Im Kern müssen wir in der EU jetzt genau das tun, damit wir zum starken Player auf der Weltbühne werden, der sich von keinem anderen Staat erpressen lässt. 

Meine Damen und Herren, als europäische Gemeinschaft sind wir viel stärker, als viele glauben, aber nur, wenn wir uns nicht durch vermeintlich lukrative Deals auseinanderdividieren lassen, sondern wenn wir gemeinsam auftreten. Allein durch unsere wirtschaftliche Stärke können wir unseren Werten und Interessen auf der Welt auch gehörig Nachdruck verschaffen; aber das muss man auch entschlossen und gemeinsam wollen. Wir müssen in strategischen Wirtschaftsbereichen eigenständiger werden, bei wichtigen Lieferketten unabhängiger, und es bleibt gerade auf dem Feld der Sicherheit sehr viel zu tun. 

That’s the job - und nicht Anbiederei bei Donald Trump und dafür die überzeugten Demokratinnen und Demokraten in den USA, in der Ukraine und in der EU im Stich zu lassen. Denn nur gemeinsam sind wir stark, - nicht als Spielball, nicht als Zuschauer, sondern als echter Player auf der Weltbühne. 

Vielen Dank.