Lesung: Briefe von Marfa Rabkova
Es bricht mir das Herz: Seit über 1460 Tagen sitzt Marfa Rabkova in Belarus unschuldig im Gefängnis – fern von ihren Liebsten, fern vom Leben, das sie sich einst aufgebaut hatte. Marfa Rabkova hat das belarussische Regime nicht mit Waffen oder Gewalt herausgefordert, sondern mit ihrem Mut und ihrem unerschütterlichen Glauben an Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Sie hat die Verbrechen dokumentiert, die in Belarus begangen wurden – die Folter, die Gewalt, das Unrecht. Sie hat den Menschen eine Stimme gegeben, deren Streben nach #Demokratie das Regime verstummen lassen wollte.

Im Juni haben wir im Bundestag eine öffentliche Lesung veranstaltet, bei der unsere Kulturstaatsministerin @claudiaroth_official und ich Briefe von Marfa Rabkova und Maria Kalesnikava aus dem Gefängnis vorgelesen haben.
Das belarussische Frauengesangstrio KRIWI (@kriwiband) hat die Lesung musikalisch begleitet und dabei hat mich besonders das Widerstandslied Kupalinka sehr bewegt. In einem Ihrer Briefe beschreibt Marfa, wie sie dieses Lied im Frühjahr 2022 im Gefangenentransporter auf dem Weg zum Gericht leise für sich gesungen hat, als Mittel gegen die Angst. Was für ein wunderschönes Lied, das zugleich als Hymne der belarussischen Protestbewegung hoffnungsvoll macht: Die Frau, die im Lied Tränen vergießt, wird einmal wieder glücklich sein; für Belarus wird eines Tages der Frühling kommen.
Doch bei aller Bewunderung für ihre Tapferkeit dürfen wir nie vergessen, dass Menschen wie Marfa in unvorstellbarem Leid leben. Sie sind nicht nur politische Symbole oder tapfere Kämpfer*innen – sie sind Menschen, die unter schrecklichen, unmenschlichen Bedingungen leiden. Sie sind Menschen, die jeden Tag mit Angst und Schmerz kämpfen, die jede Minute die Ohnmacht spüren müssen, den brutalen Schlägen eines willkürlichen Regimes ausgeliefert zu sein. Marfa und so viele andere politisch Inhaftierte erleben täglich eine Wirklichkeit, die sich kein Mensch vorstellen will.
Die Veranstaltung war sehr bewegend für mich und viele andere Gäste, gerade in dieser Zeit, in der sich viele von uns tiefe Sorgen machen angesichts der Bedrohung von Demokratie und Menschenrechten in Ländern Europas und darüber hinaus. Marfas Worte spiegeln einen Geist von Kraft und Optimismus wider, der im Angesicht einer so grausamen, dunklen Realität zwar manchmal zu verzweifeln droht, aber dennoch ungebrochen bleibt. Dieser Geist war bei der Veranstaltung ganz deutlich spürbar, nicht nur durch Ihre Briefe, sondern auch im Gespräch mit den ukrainischen Frauen, die uns mit einem ganz wunderbaren Catering versorgt haben, und in den Worten der Frauen, die auf dem Podium saßen, der Menschenrechtsaktivistin @tatsiana_khomich, der Feministin @olga_shparaga, und der Filmemacherin und Herausgeberin des Sammelbandes von Briefen, aus denen wir gelesen haben, @CordeliaDvorak.
Momente wie diese erinnern daran, wie wichtig es ist, nicht wegzusehen, nicht still zu bleiben und immer wieder auf Unrecht, Grausamkeit und die Verletzung von Menschenwürde aufmerksam zu machen. In diesen Momenten fühlen und zeigen wir, dass wir in diesem Kampf nicht alleine sind. Dass Marfa Rabkova und die vielen mutigen Kämpferinnen für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie, nicht alleine sind.