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Rede zum Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland

 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor drei Jahren hat Schwarz-Gelb sich im Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, den Abzug der in Deutschland stationierten US-Atomwaffen in Angriff zu nehmen. Der Deutsche Bundestag unterstützte dieses Ziel mit großer Mehrheit: Er sprach sich in einem interfraktionellen Antrag klar für ein atomwaffenfreies Deutschland aus.

 

Auch international waren bei der nuklearen Abrüstung Fortschritte zu beobachten. Die Vision einer atomwaffenfreien Welt war in aller Munde. Eigentlich also beste Voraussetzungen dafür, die Gunst der Stunde zu nutzen und die in Deutschland verbliebenen Relikte aus dem Kalten Krieg endlich loszuwerden.

 

Doch Schwarz-Gelb wäre nicht Schwarz-Gelb, wenn sie es nicht schaffen würden, durch Zwist, Zank und Zoff historische Chancen für eine zukunftsorientierte Politik verstreichen zu lassen. Wenn Außenminister und Verteidigungsminister in einer so wichtigen außenpolitischen Frage gegeneinander arbeiten und die Regierungskoalition so gespalten ist und am liebsten alles auf die lange Merkel-Bank schiebt: Wie soll es da eigentlich gelingen, andere Staaten in der NATO davon zu überzeugen, dass die Zeit reif ist für eine neue Strategie, die auf Atomwaffen in Deutschland verzichtet?

 

Gestern, gleich nach dem Sieg Obamas bei den Präsidentschaftswahlen, bekräftigte Außenminister Westerwelle die Forderung nach neuen Impulsen bei der Abrüstung. Ich begrüße es wirklich ausdrücklich, dass der Außenminister dieses Thema auf der Agenda hält. Doch daran, ob er sich damit durchsetzen kann, habe ich noch meine Zweifel.

 

Da Minister de Maizière in den Verteidigungspolitischen Richtlinien dieser schwarz-gelben Bundesregierung die Bedeutung der nuklearen Abschreckung noch einmal unterstreicht, frage ich mich schon, wie glaubwürdig Außenminister Westerwelle eigentlich weltweit für eine atomwaffenfreie Welt und nukleare Abrüstung werben kann.

 

Die Antwort bekamen wir auf dem letzten NATO-Gipfel im Mai dieses Jahres präsentiert: Die NATO will, solange es Atomwaffen gibt, eine nukleare Allianz bleiben. Ein Abzug der US-Atomwaffen ist nicht mehr in Sicht. Im Gegenteil: Die USA wollen die in Deutschland stationierten Waffen mit Milliarden modernisieren, damit sie bis 2050 einsetzbar sind. Modernisierung und damit Verbleib statt Abzug: Das ist die faule Frucht, die diese Bundesregierung mit ihrer zwiespältigen Abrüstungspolitik geerntet hat.

 

Deutschlands Beteiligung – das muss man sich, glaube ich, auch immer klarmachen – geht weit über die bloße Duldung der Stationierung dieser menschenverachtenden Waffen auf deutschem Boden hinaus. Die Bundeswehr selbst stellt Tornados und Soldatinnen und Soldaten für einen möglichen Atomwaffeneinsatz zur Verfügung.

 

Man muss sich auch klarmachen: Modernisierung der Atombomben bedeutet zugleich auch Modernisierung der Trägermittel. In Zeiten knapper Kassen bürdet Schwarz-Gelb den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern damit Millionensummen für eine ebenso gefährliche wie überholte Militärdoktrin auf. Stellvertretend für unsere grüne Fraktion kann ich Ihnen schon jetzt sagen: Diesen sicherheitspolitischen Irrsinn machen wir definitiv nicht mit.

 

Wir sparen uns lieber die nukleare Teilhabe, als für das abrüstungspolitische Fiasko von Schwarz-Gelb Millionen von Euro in die Hand zu nehmen.

 

Aus den Reihen der CDU ist immer wieder zu hören, die nukleare Teilhabe sichere uns den Einfluss in der NATO, den wir für eine starke Abrüstungspolitik bräuchten. Wie groß ihr abrüstungspolitischer Einfluss in der NATO ist, hat die Bundesregierung auf dem letzten NATO-Gipfel in Chicago gezeigt. Dessen Abschlusserklärung ist eine abrüstungspolitische Bankrotterklärung.

 

Ich frage mich schon auch, welchen Einfluss die Bundesregierung den Atomwaffen in Deutschland angeblich zu verdanken hat und geltend machen will, wenn sie nicht einmal über die konkreten Modernisierungspläne bezüglich der Waffen, die im eigenen Land liegen, informiert wird.

 

Den Beleg für diese Ahnungslosigkeit habe ich auch schwarz auf weiß als Antwort auf meine schriftliche Frage zu diesen Plänen. Der Kenntnisstand der Bundesregierung über die konkreten Modernisierungspläne liegt offensichtlich sogar hinter dem zurück – so legt es die Antwort nahe –, was man aus der Lektüre von US-Publikationen erfahren kann und von offizieller Seite schon bestätigt wurde. Das finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich peinlich.

 

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, ich wollte meine Rede eigentlich mit den Worten beenden: Ersparen Sie uns das Gerede von Ihrem vermeintlichen Einfluss, den Sie mit der nuklearen Teilhabe sichern wollen! – Da die Reden der CDU/CSU aber zu Protokoll gegeben sind, schließe ich meine Rede mit: Ersparen Sie uns die Fortsetzung der nuklearen Teilhabe! Denn ich bin fest davon überzeugt: Nur damit wäre dem abrüstungspolitischen Einfluss Deutschlands ein großer Dienst erwiesen.

 

Vielen Dank.