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Rede zum Antrag "Rüstungsexportkontrollgesetz vorlegen"

 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

 

Jede, wirklich jede Bundesregierung - das sage ich auch mit einem selbstkritischen Blick auf die rot-grüne Regierungszeit - beteuert immer, dass in Deutschland eine restriktive Rüstungsexportpolitik betrieben wird. Leider entspricht das nicht der Realität; denn so sieht die Faktenlage aus: Deutschland ist seit Jahren unter den Top Fünf der Waffenexporteure weltweit, und das ist kein Ranking, auf das man stolz sein kann.

 

Abgesehen von ein paar kleineren Schwankungen sind die Rüstungsexporte nach wie vor ein Milliardengeschäft. Allein im ersten Halbjahr 2015 sind Rüstungsexporte im Wert von über 3 Milliarden Euro genehmigt worden. Morgen kommen wahrscheinlich die neuen Zahlen für das Gesamtjahr 2015. Ich vermute leider, dass sie erschreckend hoch sein werden.

In der Regel gingen in den letzten Jahren mehr als die Hälfte dieser Rüstungsexporte in Staaten jenseits von NATO und EU. Darunter befanden sich schmutzige Deals mit Ländern wie Katar und Saudi-Arabien, in denen eine katastrophale Menschenrechtslage herrscht und die aktuell Teil einer Kriegsallianz sind, die ohne Rücksicht die Menschen im Jemen brutal bombardiert.

 

Es gehörten aber ebenso Skandale dazu wie der, dass G36-Gewehre in Mexiko in den Händen korrupter Polizisten auftauchten und dann gegen unbewaffnete Studenten eingesetzt wurden. Eine solche Politik als restriktiv zu bezeichnen, das ist doch zynisch.

 

Trotz einiger Kurskorrekturen, zum Beispiel bei der Transparenz, trotz all seiner großen Töne und schönen Worte hat Sigmar Gabriel hier keine grundlegende Trendwende eingeleitet. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen schöner Rhetorik und hässlicher Realität klafft hier eine erschreckend große Lücke der Verantwortungslosigkeit.

 

Es gibt kaum ein politisches Thema, bei dem das, was gesagt wird, in so krassem Widerspruch zu dem steht, was getan wird. Dabei gibt es in Deutschland die sehr guten und sehr strengen Politischen Grundsätze für Exporte, die jeder Minister in den Himmel lobt und auf die man sich in Sonntagsreden gerne beruft, die Menschenrechte zu einem zentralen Kriterium bei den Entscheidungen erheben und die sehr hohe Hürden für den Verkauf von Kriegswaffen an Staaten jenseits von NATO und EU aufstellen. Die zentrale Frage, die sich hier aufdrängt, ist: Wenn diese Grundsätze so strikt sind, wie kann es dann eigentlich sein, dass es in der Praxis zur Regel geworden ist, dass sie immer wieder verletzt und gebrochen werden?

 

Wie kann es dazu kommen, dass Frieden, Sicherheit und Menschenrechte immer wieder Exportprofiten und Gewinninteressen der Rüstungslobby geopfert werden? Ein Teil der Antwort hat auch mit dem Charakter dieser Grundsätze zu tun. Sie sind vom Inhalt her richtig und gut, sie bestehen aber eben vor allem auf dem Papier. Es mangelt ihnen an Durchsetzungskraft und Verbindlichkeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sollten und müssen wir als Parlament dringend ändern.

 

Natürlich gibt es mit dem Kriegswaffenkontrollgesetz und mit dem Außenwirtschaftsgesetz gesetzliche Grundlagen im Bereich der Rüstungsexporte. Die Kriterien aus den Politischen Grundsätzen sind aber eben nicht wirklich im Gesetzestext verankert. Das wäre aber notwendig, um ihnen endlich das Gewicht zu verleihen, das sie verdienen.

 

Im Mai haben wir Grüne Ihnen Eckpunkte für ein neues, ein echtes Rüstungsexportgesetz vorgelegt. Diese hat die Koalition leider abgelehnt. Trotzdem waren wir Grüne anscheinend nicht ganz so erfolglos: Die guten Argumente der Kollegin Keul aus der Bundestagsdebatte haben Widerhall gefunden, und sie konnten offensichtlich Sigmar Gabriel zum Denken anregen.

 

Denn vor einem Monat hat der Wirtschaftsminister erklärt, er denke jetzt darüber nach, ein Rüstungsexportgesetz auf den Weg zu bringen und eine Expertenkommission dazu einzurichten.

 

Wir freuen uns natürlich sehr, wenn Regierungsmitglieder die guten grünen Ideen aufgreifen. Aber zwischen Nachdenken und Handeln besteht ja bekanntermaßen noch ein großer Unterschied. Und so ganz trauen wir diesen vielversprechenden Ankündigungen noch nicht; denn gerade bei den Rüstungsexporten haben wir in den letzten Jahren oft genug erlebt, dass der Wirtschaftsminister den typischen Gabriel macht: Erst viel Wind erzeugen, dann aber nicht liefern.

 

Meine Damen und Herren, als aufmerksame und hartnäckige Opposition geben wir uns natürlich nicht mit Ihren schönen Schlagzeilen zufrieden. Uns interessiert, was Sie in der Realität daraus machen. Das ist ein Prozess, den wir konstruktiv begleiten wollen. Deshalb haben wir auch nachgefragt, wie es denn jetzt weitergeht. Wir wollten wissen: Wie sieht es mit dem Zeitplan aus, wie ist die Besetzung der Kommission? Welche Rolle soll das Parlament dabei spielen? Am Montag erhielt ich zu all diesen Fragen eine lapidare Antwort aus dem Hause Gabriel, nämlich dass er noch nachdenke und dass es noch keine Details gebe. Einen Monat nachdem die Pressestatements verkündet waren, keinen Schritt weiter zu sein, ist doch ein bisschen peinlich.

 

Herr Minister, wenn Sie in diesem Schneckentempo weitermachen, dann können wir vielleicht in der übernächsten Wahlperiode mit einem Gesetzentwurf rechnen. Deshalb stellen wir heute hier einen zweiten Antrag, über den wir nachher namentlich abstimmen. Er enthält keine inhaltlichen Vorfestlegungen. Er besteht nur aus einem Satz und fordert Sie dazu auf, Herr Gabriel, Ihr Versprechen auch wahrzumachen und dem Parlament noch in dieser Legislaturperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Beratung und Abstimmung vorzulegen.

 

Liebe Abgeordnete von SPD und Union, wenn Sie also den Vorschlägen Ihres eigenen Vizekanzlers, die ihn offensichtlich nicht besonders interessieren, folgen und ihn auf diesem richtigen Weg unterstützen wollen, dann bleibt Ihnen ja fast nichts anderes übrig, als unserem grünen Antrag heute hier zuzustimmen.

 

Sie, Herr Minister, haben die Chance, zu zeigen, dass das hier kein weiterer Fall von „groß posaunt und dann noch nichts gemacht“ ist. Und wir als Parlament könnten ein schönes, klares und gemeinsames Zeichen setzen, dass in Zukunft bei den Rüstungsexporten das Kriterium der Achtung der Menschenrechte keine leere Sprechblase mehr ist und dass Friedens- und Sicherheitspolitik ausufernden Waffenexporten klare und enge Grenzen setzen. Deshalb bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen, damit wir noch in dieser Legislaturperiode endlich über ein Rüstungsexportgesetz abstimmen können.