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Rede zum Bundeswehrmandat UNIFIL

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es grenzt doch an ein Wunder, dass in der krisengeplagten und von Gewalt erschütterten Region des Nahen und Mittleren Ostens ein kleines Land trotz gewaltiger eigener Probleme, Rückschlägen und Herausforderungen nicht auch noch in Instabilität und Chaos abgleitet: der Libanon.

 

Die Menschen dort leiden unter der korrupten und ineffizienten Verwaltung, ob es sich um Wasser, Elektrizität oder die Entsorgung von Müll handelt. Die politische Situation ist nach wie vor mehr als schwierig. Seit 2014 konnten sich die zerstrittenen Kräfte im Parlament immer noch nicht auf einen Präsidenten einigen. Es gibt Waffen in gefährlichem Überfluss und in den falschen Händen sowie zahlreiche politische, aber auch bewaffnete und terroristische Gruppierungen, die bewusst ethnische und konfessionelle Spannungen schüren und versuchen, den Libanon auch in den Strudel der Gewalt des Syrien-Konflikts hineinzuziehen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die größte, immense Herausforderung für die Menschen im Land, das bei Weitem politisch nicht so stabil und wirtschaftlich so wohlhabend ist wie viele europäische Länder, ist aber die hohe Zahl der Flüchtlinge. Wenn Politiker ohne Herz und Hirn in Deutschland über Belastungsgrenzen klagen, dann sollten sie sich vielleicht einmal klarmachen, dass im Libanon seit Jahren jeder vierte Mensch ein Flüchtling ist.

 

Ich kann es bis heute nicht fassen, dass trotz aller Gipfelbilder und schönen Absichtsbekundungen sich die reichen Staaten dieser Welt weigern, die Menschen im Libanon bei dieser schwierigen Aufgabe zu unterstützen. Die Programme sind nur zu einem Bruchteil ausfinanziert - ungefähr ein Viertel -, und, Herr Staatsminister, dann ist es doch mehr als beschönigend, wenn Sie hier davon sprechen, dass man den Libanon nicht alleinlassen darf.

 

Es ist aber nicht nur herzlos und zynisch, sondern es ist auch sicherheitspolitisch kurzsichtig und brandgefährlich.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allen schlechten, schrecklichen und deprimierenden Nachrichten aus der Region muss man aber auch eines feststellen: Die Friedensmission der Vereinten Nationen UNIFIL ist eine jahrelange Erfolgsgeschichte. Sie hat nicht nur 2006 dazu beigetragen, den Krieg zwischen Libanon und Israel zu beenden, sondern sie ist auch heute noch - zehn Jahre später - ein unverzichtbarer Beitrag zu Gewaltprävention, zu Friedenserhaltung, zu Konfliktlösungen und zum Dialog.

 

Wir müssen nur den Beginn dieses Jahres anschauen, als es einen Anschlag der Hisbollah gab, der dann auch mit einem israelischen Militärschlag beantwortet wurde. Es braucht doch wirklich nicht viel Fantasie, sich vorzustellen, wie aus einem solchen Vorfall eine neue Eskalationsdynamik entstehen kann, eine weitere Krise in der Region oder ein Aufflammen alter Konflikte. Das wäre doch verheerend. UNIFIL ist im Libanon genau die Mission, die das verhindert.

 

Es ist das einzige Forum, das direkte Gespräche zwischen den beiden Parteien Israel und Libanon ermöglicht. Und, Herr Gehrcke, weil Sie die Frage gestellt haben, warum sich Deutschland daran noch beteiligen muss, sage ich Ihnen: Wir wurden nicht nur damals von beiden Staaten darum gebeten, sondern wir werden auch heute wiederholt darum gebeten. Sie bitten um den deutschen Beitrag, und sie honorieren ihn ausdrücklich. Die Mission übernimmt aber auch Aufgaben in den Bereichen Grenzsicherung und Unterbindung des Waffenschmuggels über den Seeweg oder im Rahmen der Ausbildung der libanesischen Sicherheitskräfte.

 

Auch wenn es manchmal schwerfällt, positive Entwicklungen auszumachen, und auch wenn klar ist, dass ein Waffenstillstand und eine Friedensmission nicht automatisch sicheren und gefestigten Frieden bedeuten, darf man die Erfolge von UNIFIL nicht kleinreden. Vielmehr müssen sie bewahrt und fortgeschrieben werden. Es wäre falsch und fatal, die Mission zu beenden. Es ist aber auch gefährlich, angesichts der höchst fragilen Lage zu glauben, dass sie allein Stabilität und Sicherheit gewährleistet. Ja, die Aufnahmebereitschaft der Menschen im Libanon ist sehr beeindruckend. Aber ohne weitere internationale Hilfe - diese darf nicht so halbherzig sein wie in den vergangenen Jahren - wird das, was in der Vergangenheit erreicht wurde, fahrlässig aufs Spiel gesetzt. Daher möchte ich mit dem Appell an die Bundesregierung und an die anderen reichen Staaten dieser Welt enden, ihre humanitäre Verantwortung für die Menschen im Libanon und die Flüchtlinge dort endlich ernst zu nehmen und ihr gerecht zu werden.