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Rede zum Jahresabrüstungsbericht 2012

 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Uta Zapf, auch ich möchte mich bei dir ganz herzlich für die tolle Zusammenarbeit bedanken. Ich finde, in deiner sechsten Legislaturperiode hast du gezeigt, wie man mit viel langem Atem, mit viel Hartnäckigkeit, mit viel Herzblut und Leidenschaft für das wichtige Thema Abrüstung eintreten kann. Das hat mich persönlich sehr beeindruckt.

Ich danke auch für den Jahresabrüstungsbericht der schwarz-gelben Bundesregierung. Er ist in der Tat ein sehr schön formuliertes und umfangreiches Papier. Doch seitenweise schöne Worte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es der schwarz-gelben Abrüstungspolitik an Substanz fehlt; denn es fehlt ihr auch an Glaubwürdigkeit, an Elan und an Konsequenz. Dafür möchte ich drei Beispiele nennen.

Erstens. Herr Minister Westerwelle, Sie bekennen sich hier mit großen Worten zum Willen der Bundesregierung, für globale Abrüstung einzutreten. Die Frage ist natürlich – ich greife da das Stichwort „Verzahnung“ des Kollegen Kiesewetter auf –, was Sie jenseits dessen tun, was im Bericht geschrieben steht. Da sehen wir: Die Kanzlerin hält Waffenexporte nach dem Motto „Ertüchtigung statt Einmischung“ offensichtlich für ein wesentliches Instrument einer neuen deutschen Außenpolitik. Ausgewählte Staaten, ungeachtet der Menschenrechtslage, sollen mit deutschen Waffen befähigt werden, regional für eine vermeintliche Stabilität zu sorgen. Wir halten diesen Kurs für falsch und für grundgefährlich.

Oder nehmen wir Verteidigungsminister de Maizière, der in den Verteidigungspolitischen Richtlinien Deutschlands Festhalten an der nuklearen Abschreckung bekräftigt hat. Herr Minister Westerwelle, was auch immer Sie heute und an anderer Stelle in Sachen Abrüstung sagen, solche Aktionen und das Handeln der Bundesregierung entlarven das als Lippenbekenntnis.

Zweites Beispiel. Die nukleare Abrüstung haben Sie am Beginn der Legislaturperiode zu einem wichtigen Ziel erklärt. Auch der Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland wurde im schwarz-gelben Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt. Und doch werden nun diese Atombomben im Rahmen des amerikanischen Life-Extension-Programmes modernisiert und damit nicht abgezogen, sondern für eine lange Zukunft ertüchtigt. Auch die NATO ist weit davon entfernt, sich von den Nuklearwaffen zu verabschieden. Nach der Wiederwahl Barack Obamas als Präsident der Vereinigten Staaten im November und seiner Ankündigung, neue Verhandlungen mit Russland aufnehmen zu wollen, ließ der Außenminister verlauten, er hoffe nun auf neue Impulse in der Abrüstung. In dieser Äußerung tritt die ganze Passivität Ihrer Politik zutage. Sie warten immer nur auf den amerikanischen Taktgeber. Auch durch diese Passivität scheitern Sie.

Drittens. Herr Minister Westerwelle, Sie haben auch die Ächtung von Landminen und Streumunition angesprochen. Es ist gut, dass sich die Bundesregierung für eine Universalisierung des entsprechenden Abkommens einsetzt. Aber es klafft auch in Deutschland eine erhebliche Lücke. Es ist nämlich immer noch erlaubt, in Unternehmen zu investieren, die diese barbarischen Waffen herstellen. Mit aller Kraft sträubt sich die schwarz-gelbe Koalition gegen ein gesetzliches Investitionsverbot. Das nenne ich inkonsequent.

Ich habe oft den Eindruck, ein grundlegendes Problem Ihrer Abrüstungspolitik ist die Mutlosigkeit. Dafür war die Lesung des Antrags der grünen Bundestagsfraktion, über den wir heute unter anderem abstimmen werden, ein gutes Beispiel. In unserem Antrag „Konsequent vorangehen für eine atomwaffenfreie Welt“ machen wir einmal mehr deutlich, dass Deutschland für ein starkes und vor allem glaubwürdiges Engagement bei der nuklearen Abrüstung bei sich selbst beginnen muss. Deshalb fordern wir Grüne zum Beispiel die Beendigung des Beitrages der Bundeswehr mit Trägersystemen und Piloten zum Bereithalten der US-Nuklearwaffen in Deutschland. Wir wollen, dass ihr Abzug endlich Realität wird und sagen deshalb klar Nein zu einer Modernisierung der Trägersysteme und dieser Atombomben.

Es geht aber auch um das deutsche Engagement auf internationaler Ebene, zum Beispiel für eine Konvention, die Nuklearwaffen für immer verbietet. In der Beratung unseres Antrags hier im Parlament haben wir dazu von Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, in erster Linie zu hören bekommen: Das können wir nicht machen. Das geht nicht. Das wird nichts.

Ja, der Weg zur atomaren Abrüstung ist langwierig und schwierig, aber offenbar haben Sie schon aufgegeben. Sie hocken sich an den Wegrand und warten nur darauf, dass jemand voranschreitet und Sie mitzieht. Sicher, bei der atomaren Abrüstung haben wir in den vergangenen Wochen auch herbe Rückschläge erlebt. Die Konferenz zur massenvernichtungswaffenfreien Zone im Nahen Osten kam nicht zustande, die Entwicklungen im Iran und die schrillen Ankündigungen aus Nordkorea bieten Anlass zu großer Sorge. Aber, meine Damen und Herren, Verzagen hilft nicht, Aufgeben gilt nicht. Mit einer „Geht nicht“-Einstellung bewegt man schließlich gar nichts.

Es gibt viel zu tun für eine friedliche Welt. Doch in den vergangenen dreieinhalb Jahren hat diese Bundesregierung kaum mehr geschafft, als leere Versprechungen zu produzieren und diese dann auch noch durch eine ausufernde Rüstungsexportpolitik zu konterkarieren. Es wird höchste Zeit für den Wechsel, damit Deutschland endlich wieder zum Vorreiter für die globale Abrüstung wird.