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Rede zum Thema "Deutsche nukleare Abrüstungpolitik"

 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Abrüstungspolitik fehlt es Schwarz-Gelb gewaltig an Ideen und Elan. Das zeigen die Antworten der Bundesregierung auf die Große Anfrage zu den verschiedensten Facetten der nuklearen Abrüstung. Sie zeigen auch: Außenminister Westerwelle betreibt Abrüstungspolitik ohne jede Lust und Leidenschaft, so als gehe es nur um die Pflege einer deutschen außenpolitischen Routine. Auf diese Weise versäumt es die Bundesregierung, Chancen zu nutzen und sichtbare außenpolitische Akzente zu setzen. Sie unternehmen gar nicht erst den Versuch, wirklich und überzeugt bei der Bevölkerung und in der Weltöffentlichkeit um Unterstützung für Ihre Abrüstungspolitik zu werben. Ohne einen solchen Rückhalt, der über nationalstaatliche Interessen hinausgeht, kann Abrüstungspolitik ihre Wirkung aber nicht entfalten.

Am augenscheinlichsten wird dies, wenn man betrachtet, was mit den US-Atomwaffen in Deutschland geschehen soll. Mir fehlt noch der Glaube, Herr Schnurr, dass der NATO-Gipfel in Chicago wirklich beschließen wird, dass sie abgezogen werden sollen. Es soll nämlich nicht besonders viel geschehen. Was es gibt, ist allenfalls die Perspektive, dass sie modernisiert werden und damit ihr Verbleib in Deutschland zementiert wird, und das, obwohl im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, dass die in Deutschland stationierten Atomwaffen abgezogen werden sollen, und obwohl das gesamte Parlament dieses Vorhaben unterstützt. Der heutige Entschließungsantrag der SPD, den wir in weiten Teilen wirklich sehr gut finden, macht das deutlich. Wir teilen allerdings nicht Ihre Begeisterung für das NATO-Raketenabwehrsystem. Für uns ist es ein Aufrüstungsprojekt, bei dem sowohl Nutzen als auch Kosten nicht absehbar sind. Daher werden wir uns bei Ihrem Antrag enthalten.

Zurück zu Schwarz-Gelb. Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie sich aktiv und mit eigenen Beiträgen für eine Welt frei von Atomwaffen einsetzt. Dazu gehört beispielsweise auch, für eine Ächtung von Atomwaffen durch eine Nuklearwaffenkonvention zu streiten. Aktiv sollten Sie sich in diese Diskussion einbringen; so hat es nahezu das ganze Haus in einem historischen gemeinsamen Antrag gefordert. In ihrer Antwort auf die Große Anfrage erklärt die Bundesregierung aber lapidar, sie – Zitat – „verfolgt die Diskussion um eine Nuklearwaffenkonvention aufmerksam“. Das heißt im Klartext: Sie beteiligen sich gar nicht daran.

Es grenzt wirklich teilweise an Dreistigkeit, wie diese Regierung den abrüstungspolitischen Auftrag der Mehrheit des Parlamentes einfach ignoriert und sich für ihr vermeintliches Engagement in regelmäßigen Abständen selbst beweihräuchert.

Meine Damen und Herren, natürlich erfüllen uns die Entwicklungen im Iran, in Nordkorea, in Indien und in Pakistan mit großer Sorge. Erst letzte Woche erreichte uns die Meldung, dass Indien eine neue, atomwaffenfähige Langstreckenrakete erfolgreich getestet hat. Nun zog Pakistan mit dem Test einer Mittelstreckenrakete nach. Indien investiert bereits seit langem in die konventionelle und auch in die nukleare Aufrüstung. Die Tests treiben die bereits auf Hochtouren laufende Rüstungsspirale in dieser Region weiter an – und das in einer höchst unsicheren Zeit.

Was ist die Reaktion der Bundesregierung? Schweigen und Verharmlosen! Gerade weil die Herausforderungen so groß und so offensichtlich sind, erwarten wir von Ihnen viel mehr kreative und engagierte Initiativen für die Abrüstung und die Rüstungskontrolle.

Im Fall Indien tun Sie aber genau das Gegenteil. Obwohl Indien bis heute nicht zu den Unterzeichnerstaaten des Atomwaffensperrvertrages gehört, unterstützt Schwarz-Gelb den Nuklearhandel mit Indien und steht sogar einer Aufnahme in die Nuclear Suppliers Group offen gegenüber. Dabei hat die Internationale Atomenergie-Organisation weder Einblick in die Atomanlagen noch in die militärischen und zivilen Forschungseinrichtungen in Indien. Diese laxe Haltung zum Nuklearhandel mit Indien ist fahrlässig, und sie torpediert auch die Nichtverbreitungspolitik der letzten Jahrzehnte.

Meine Damen und Herren von der Koalition, Ihnen ist beim Engagement für Abrüstung doch schon lange die Luft ausgegangen. Viele Ihrer Initiativen sind zudem – man siehe Indien – auch noch kontraproduktiv. Wir machen Abrüstungspolitik mit langem Atem, mit Lust und mit Leidenschaft.

Vielen Dank.