Agnieszka Brugger agnieszka-brugger.de
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Rede zum Übergangsabkommen mit dem Iran
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Eine große Chance mit Risiken und vor allem auch ein Erfolg der Diplomatie, allerdings mit offenem Ausgang ‑ so lässt sich meiner Meinung nach das Übergangsabkommen, das die fünf Vetomächte der Vereinten Nationen und Deutschland mit dem Iran in Genf verhandelt haben, am besten beschreiben. Der Iran verpflichtet sich, Teile seines Atomprogramms auszusetzen und mehr Inspektionen seiner Anlagen zuzulassen. Im Gegenzug soll ein Teil der Sanktionen gelockert und sollen vorerst keine weiteren verhängt werden.
Gemischt und sehr unterschiedlich wurde dieses Abkommen anschließend bewertet. Ich stehe immer noch unter dem Eindruck, dass Sie, Herr Außenminister Westerwelle, so einig mit dem Kollegen van Aken sind. Ich finde, das ist ein ganz besonderer Moment, und das zeigt auch, dass es hier einen großen Zuspruch für dieses Verhandlungsergebnis gibt.
Sie haben das Abkommen einen Wendepunkt genannt. US-Außenminister Kerry twitterte, es sei ein erster Schritt, die Welt sicherer zu machen. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu hat das Abkommen hingegen deutlich kritisiert. Allerdings zeigt die Debatte in Israel nicht nur sehr nachvollziehbare Sorgen über das iranische Atomprogramm, sondern auch sehr unterschiedliche Ansichten und Bewertungen dieses Abkommens.
Nach Jahren der Eskalation und des eisigen Stillstands, nach Jahren der mehr als berechtigten Sorge, dass der Iran in Zukunft über Atomwaffen verfügen könnte, ist nun eine erste Vereinbarung getroffen worden, die allen Seiten, wie ich finde, durchaus große Zugeständnisse abverlangt. Das ist ein großer Erfolg.
Ziel muss es jetzt sein, diesen Weg der Verhandlungen weiter zu beschreiten und die Vereinbarung zügig und schnell umzusetzen, um anschließend, nach den vereinbarten sechs Monaten, in denen Transparenz geschaffen und Vertrauen erworben werden muss, ein belastbares und verbindlicheres Abkommen zu erreichen. Wie diese sechs Monate genutzt werden und wie die Umsetzung dieser Vereinbarung ausfällt, wird dabei nicht nur für die Entwicklung der nächsten Wochen und Monate, sondern für Jahre ausschlaggebend sein.
Es liegt jetzt an der neuen Regierung in Teheran, der internationalen Gemeinschaft glaubhaft zu beweisen, dass sie ernsthaft an einer langfristigen und tragbaren Lösung des Atomkonflikts interessiert ist. Dazu muss der Iran nun schnell und transparent seine Vertrauenswürdigkeit unter Beweis stellen. Die Hochanreicherung von Uran auf 20 Prozent muss gestoppt und die bestehenden Vorräte in höchstens 5-prozentig angereichertes Uran umgewandelt werden. Auch die Aktivitäten um den Schwerwasserreaktor Arak müssen gestoppt und die Kontrolle durch die Internationale Atomenergie-Organisation uneingeschränkt ermöglicht werden. Denn nur durch die zügige und anhaltende Umsetzung dieser Vereinbarung kann der Iran die bestehenden Zweifel, dass es sich um bloße Lippenbekenntnisse handeln könnte, langsam aus dem Weg räumen.
Ziel der auferlegten Sanktionen war es, den Iran an den Verhandlungstisch zu bringen. Das ist gelungen. Nun muss die internationale Gemeinschaft im Gegenzug aber auch bereit sein, die Sanktionen zu lockern, wenn die iranische Seite ihren Verpflichtungen nachkommt. Dabei sollten vor allem die Sanktionen im Fokus stehen, die die Zivilbevölkerung treffen. Absolut kontraproduktiv sind an dieser Stelle die Stimmen der Republikaner aus den USA, die in der aktuellen Situation eine Verschärfung der Sanktionen fordern. Das würde ein automatisches Ende dieses Erfolges, ein automatisches Ende der Verhandlungen und Gespräche bedeuten.
Meine Damen und Herren, wir sollten aber auch nicht in allzu große Euphorie verfallen. Denn es ist zu früh, von einer wirklichen Lösung des Atomkonflikts zu sprechen, weil in diesen sechs Monaten viel passieren kann, zum Guten, aber eben auch zum Schlechten. Trotz des berechtigten Aufatmens aufgrund dieser Einigung muss eines klar sein: Sie ist kein Anlass, die erschreckende Rhetorik des iranischen Regimes gegenüber Israel oder die nach wie vor krassen und eklatanten Menschenrechtsverletzungen im Iran oder die verheerende Rolle, die der Iran im blutigen Syrien-Konflikt spielt, auszublenden.
Es ist aber auch klar: Das Übergangsabkommen ist eben doch ein großer Erfolg der Diplomatie. Wer das bestreitet, muss sich klarmachen, dass die Alternativen, die auf dem Tisch lagen ‑ mit dieser Formulierung wurde ja immer wieder über einen Militärschlag gesprochen ‑, in ihren Auswirkungen katastrophal gewesen wären. Auf der einen Seite hätte nicht toleriert werden können, dass der Iran sein Atomprogramm in vollem Umfang weiterbetreibt, während immer schärfere Sanktionen die Zivilbevölkerung treffen. Auf der anderen Seite hätte eine militärische Eskalation dieses Konflikts unberechenbare Folgen für eine Region gehabt, die ohnehin schon durch zahlreiche Krisen und Konflikte destabilisiert ist.
Die Einigung ist bei allen berechtigten Zweifeln und Unwägbarkeiten durchaus ein Anlass, Hoffnung zu fassen, dass vielleicht ein Anfang gemacht wurde, diesen Konflikt auf diplomatischem Wege zu bearbeiten und irgendwann vielleicht wirklich lösen zu können. Wir sollten alles dafür tun, diesen Weg entschieden weiter zu beschreiten.