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Rede zur ersten Lesung des Bundeswehrreform-Begleitgesetzes

 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, nachdem Ihr Vorgänger im Amt den Reformprozess mit einer überaus hektischen Ankündigungspolitik von Anfang an ins Trudeln gebracht hat, weckte Ihre strukturierte Herangehensweise zunächst Hoffnung.

Eine Hoffnung muss jedoch auch erfüllt werden, und dazu komme ich jetzt.

Sie konnten – und wollten vielleicht auch – nicht ausbügeln, was von Beginn an falsch gemacht wurde. Dieser Reform fehlt nämlich die grundsätzliche Basis, die breite gesellschaftliche Diskussion über die zukünftigen Aufgaben der Bundeswehr und über die Grenzen des Militärischen.

Dennoch gab und gibt die Regierung die Parole aus, dass diese Reform der große Wurf wird. Das haben Sie, Herr Minister, nicht nur heute, sondern auch im vergangenen Jahr anlässlich der Vorstellung der Eckpunkte der Neuausrichtung sehr deutlich gemacht. Ihre Ankündigungen vor einem Jahr und auch in Ihrer heutigen Rede klingen dabei ein bisschen wie bei der Werbung für das Überraschungsei: Gleich drei Wünsche auf einmal wollen Sie erfüllen. Sie wollten Verbesserungen für die bringen, die kommen sollen, für die, die gehen müssen, und die, die bleiben wollen und sollen. Sozialverträglicher Personalabbau und Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung sollten ineinander greifen und sich zu einem runden Ganzen fügen.

Was Sie uns bis heute präsentieren, ist aber keine runde Sache. Stattdessen bieten Sie vor allem den rangniederen Soldatinnen und Soldaten und den Zivilangestellten der Bundeswehr einen Sack voll bitterer Pillen. Zuckerstückchen gibt es in diesem Gesetz in erster Linie für Ihre Spitzenkräfte.

Noch vor einem Jahr war die Rede von zu vielen Stäben und zu vielen Generalssternen. In der Berichterstattung wurde daraus die Formel „Zu viele Häuptlinge und zu wenig Indianer“. Hier Abhilfe zu schaffen, war Ihnen ein dringendes Anliegen, Herr de Maizière. Und doch liegt ein Fokus dieses Gesetzentwurfes auf der Schaffung diverser neuer hochdotierter Spitzenpositionen für militärische und zivile Verwaltungskräfte. Das ist nicht verhältnismäßig. Wir fordern Sie dringend auf, dies noch einmal zu überdenken.

Die Bundeswehr muss und sollte kleiner werden. Das ist unumgänglich. Diese Verkleinerung wollten Sie so schonend, so sozialverträglich wie möglich gestalten.

Dieses Ziel kritisieren wir ganz und gar nicht. Aber unsere Zweifel, ob Sie mit den hier vorgeschlagenen Instrumenten dieses Ziel sozialverträglich erreichen, sind groß. Für sehr gut ausgebildete Soldatinnen und Soldaten, für Experten und Spezialisten, erleichtern Sie den Wechsel zu anderen Arbeitgebern. Aber diese wollen Sie in der Regel gar nicht gehen lassen. Ihr Angebot für den vorzeitigen Ruhestand wiederum kann man kaum als attraktiv bezeichnen.

Sträflich vernachlässigt haben Sie entgegen Ihrer Behauptung in Ihrer Rede in diesem Gesetz diejenigen, die bleiben wollen und sollen. Sie behaupten, dass Sie wesentliche Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität bereits vor diesem Gesetz auf den Weg gebracht haben. Das sehe ich anders. Ein ganzheitliches Konzept zur Steigerung der Attraktivität haben Sie noch nicht auf den Weg gebracht. Vor allem scheinen Sie zu glauben, dass man mit Geld alle Mängel heilen kann. Aber selbst wenn die Tätigkeit bei der Bundeswehr noch so gut bezahlt wäre, würde das die Unzufriedenheit zum Beispiel über überbordende Hierarchien, die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Dienst oder den bürokratischen Dschungel nicht abstellen.

Wenn Sie wirklich attraktive Rahmenbedingungen bei der Bundeswehr wollen, müssen Sie sich genau an diese Mängel heranwagen, und das besser gestern als heute.

Sie wollten den großen Wurf erreichen, auch in Sachen Attraktivität. Dieser Gesetzentwurf ist aber nach dem monatelangen Hin und Her zwischen den Ressorts schließlich nur ein halbherziger Kompromiss geworden. Alle wesentlichen Artikel in diesem Entwurf stellen Sie zudem von vornherein zur Disposition. Auf Verlässlichkeit können die Bundeswehrangehörigen so bis 2014 warten.

So bleibt dieser Vorschlag insgesamt leider weit hinter den großen Worten des vergangenen Jahres zurück. Um es noch einmal klarzustellen: Grundsätzlich würden wir Sie gern bei dem Anliegen unterstützen, die Bundeswehr kleiner und zu einem besseren Arbeitgeber zu machen. Dafür muss aber in den kommenden Beratungen an etlichen Stellen nachgebessert werden. Wir werden den weiteren Prozess kritisch und mit eigenen Vorschlägen begleiten.

Vielen Dank.