Agnieszka Brugger agnieszka-brugger.de
Reden und Videos
Rede zur Mandatsverlängerung EUTM Somalia
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Mandate der Bundesregierung zu Auslandseinsätzen lesen sich oft sehr technisch. Aber ich finde, bei diesem Mandat, bei der europäischen Ausbildungsmission für die somalischen Sicherheitskräfte, merkt man ganz besonders, wie oberflächlich und extrem technokratisch Sie die Situation in Somalia beschreiben.
Wer ein Gespür für die Situation der Menschen in Somalia bekommen möchte, dem empfehle ich eine Reportage aus der Zeit, die im Januar dieses Jahres erschienen ist. Dort wird die bewegende Geschichte von einem Koch erzählt, der 2008, als in Mogadischu die Gewalt regierte, in sein Land zurückgekehrt ist, um es wieder aufzubauen. Diese Geschichte handelt von Hoffnung, von Mut, von Lebensfreude und von wirtschaftlichem Aufschwung, aber eben auch ganz viel von Angst, von Gewalt und von Korruption. Diese Reportage ist übrigens auch eine empfehlenswerte Lektüre für all die Menschen, die nicht wissen, was Heimat und Heimweh bedeuten können, und die meinen, dass die Flüchtlinge alle nur hierbleiben wollen und nicht in ihre Länder zurückkehren.
Nach 25 Jahren Bürgerkrieg gab es auch positive Entwicklungen in Somalia. Wer aber zum Beispiel glaubt, dass die gesunkene Anzahl der Terroranschläge durch die Verbrecher von al-Schabab quantitativ ein Zeichen für die Verbesserung der Sicherheitslage ist, der täuscht sich leider. Gerade in den letzten Wochen erschütterte eine Reihe von Attentaten das Land, die in ihrer Qualität leider immer schlimmer und grausamer werden.
Die Afrikanische Union, die Vereinten Nationen und zahlreiche Staaten engagieren sich seit Jahren in Somalia. Seit Jahren warnen alle Expertinnen und Experten immer wieder und weisen daraufhin, dass die zentrale Ursache für die Probleme in Somalia, bei der man ansetzen muss, die fehlende Staatlichkeit und die Schwäche der politischen Institutionen sind.
Ja, auch im politischen Bereich hat es in den letzten Jahren einige Fortschritte gegeben. Aber Sie fokussieren sich sehr stark auf die Militäreinsätze, und diese wichtigen Fragen werden vernachlässigt. Wer will, dass das Engagement in Somalia zum Erfolg führt, der muss viel mehr für den Staatsaufbau tun. Weil Sie da zu wenig machen, ist die Gefahr groß, dass auch dieser europäische Militäreinsatz am Ende nicht nur wirkungslos bleibt, sondern sogar noch mehr Schaden anrichtet.
Sie haben in den letzten Jahren erst in Uganda und dann in Somalia mehrere Tausend Soldaten ausgebildet. Immer dann, wenn wir die Bundesregierung nach den Erfahrungen und nach der Bilanz fragen, hüllen Sie sich in Schweigen und in Nichtwissen. Das hat man auch in Ihrer Rede sehr stark gemerkt, Herr Roth. Einen Militäreinsatz kann man doch nicht so begleiten und gestalten. Das zeugt von einer Oberflächlichkeit und einer Ignoranz, die gefährlich ist.
Meine Damen und Herren, in einem Land, das auch wegen der Rivalitäten der mächtigen Clans nicht zur Ruhe kommt, birgt es große Gefahren, Sicherheitskräfte auszubilden, wenn sie keiner wirksamen politischen Kontrolle unterliegen. Wir haben Hinweise, dass sehr stark nur aus einem Clan rekrutiert wird, was in der Konsequenz die Spannungen verstärkt. Wir hören, dass Sold nicht gezahlt wird oder nur willkürlich gezahlt wird und in den Taschen der Kommandeure verschwindet. Wir sehen hohe Desertionsraten. Wir erfahren von Soldaten, die anschließend zu den Milizen gehen oder sich gar al-Schabab anschließen. Es gibt Vorfälle, bei denen Soldaten in Uniform die Zivilbevölkerung bedrängen, statt sie zu beschützen. Immer wieder verschwinden auch Waffen. Von alldem will die Bundesregierung noch nie wirklich etwas gehört haben. Da muss man sagen: Eine verantwortungsvolle Politik sieht wirklich anders aus.
Meine Damen und Herren, vor einem Jahr haben wir Grüne das Mandat einstimmig abgelehnt. Wir haben mit Nein gestimmt, nicht deshalb, weil man die Menschen in Somalia alleinlassen soll; dieses Nein war vor allem ein Appell an die Bundesregierung, endlich die Konfliktursachen anzugehen und den Aufbau der staatlichen Institutionen viel stärker zu unterstützen. Es ist wirklich schade, dass Sie dieses Jahr untätig haben verstreichen lassen; denn nur dann, wenn man da etwas tut, kann man einen Beitrag dazu leisten, dass immer mehr Menschen wie jener Koch sich entschließen, in ihre Heimat zurückzugehen, und kann man sicherstellen, dass die Weichen dort so gestellt werden, dass die Menschen eine neue Zukunft für ihr Land aufbauen können.