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Rede zur Mandatsverlängerung von UNMISS

 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

 

Der Südsudan steht am Scheideweg, und die internationale Gemeinschaft kann es sich nicht leisten, den jüngsten Staat der Welt scheitern zu sehen. Dieser Einschätzung von Hilde Johnson, der Leiterin der UN-Mission im Südsudan, können wir Grüne voll und ganz zustimmen; denn die Menschen im Südsudan haben es verdient, dass wir sie auf dem Weg hin zu mehr Frieden, zu mehr Entwicklung und zu mehr Sicherheit nach Kräften unterstützen.

 

Dazu leistet UNMISS einen sehr wertvollen Beitrag. Die Mission hat die Aufgabe, die Zivilbevölkerung zu schützen, den Aufbau staatlicher Strukturen zu fördern und die Menschenrechte zu stärken. Seit der Staatsgründung des Südsudan am 9. Juli 2011 konnte auf diesem Wege bereits einiges erreicht werden, vieles leider aber auch noch nicht.

Seit der Wiederaufnahme der Erdölförderung erholt sich die katastrophale wirtschaftliche Lage des Landes sehr langsam, und 2012 sanken die Verbraucherpreise für die Zivilbevölkerung endlich wieder. Aber auch bei der Bekämpfung der Korruption hat sich einiges getan. Beispielsweise wurden 16 000 „Geisteroffiziere“ von der Gehaltsliste der südsudanesischen Polizei gestrichen. Gleiches, so hat der Präsident öffentlich angekündigt, soll auch beim Militär geschehen. Hier muss UNMISS bei der Korruptionsbekämpfung weiter den Finger in die Wunde legen.

Positiv war auch die diesjährige Zusammenarbeit der südsudanesischen Regierung mit den NGOs und den UN-Hilfsorganisationen bei der sich jährlich wiederholenden Flutkatastrophe im November. Dadurch konnte für knapp 140 000 notleidende Menschen die Versorgung mit Lebensmitteln und Medizin gesichert werden.

 

Meine Damen und Herren, natürlich können auch viele Schritte in die richtige Richtung keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass es auch Rückschläge und berechtigten Anlass zur Sorge, aber eben auch zu deutlicher Kritik gegenüber der südsudanesischen Regierung und ihren Sicherheitskräften gibt. So kam es beispielsweise, wie Human Rights Watch berichtet, im Bezirk Pibor zu massiven Menschenrechtsverletzungen, verübt durch die Soldaten der südsudanesischen Armee bei Kämpfen gegen Rebellengruppen. Statt wie beauftragt die Menschen zu beschützen, haben die Soldaten Zivilistinnen und Zivilisten getötet und Schulen zerstört.

UNMISS hat daraufhin an diesen Orten seine Präsenz verstärkt und den geflohenen Menschen Schutz geboten und sie aufgenommen. Wenn Sie den Bericht von Human Rights Watch gelesen hätten, dann wüssten Sie, Kollegin Buchholz, dass sie nicht zu dem Schluss kommen, dass UNMISS beendet werden sollte; vielmehr stellen sie fest, dass es UNMISS an Kapazitäten mangelt. Vorfälle wie diese dürfen nicht vertuscht werden; sie müssen konsequent verfolgt und geahndet werden. Wir können auch feststellen, dass es hier im Gegensatz zu früher ein Umdenken gibt, dass nämlich Täter verfolgt und benannt werden, auch wenn es hierfür bei der Justiz noch an den notwendigen Kapazitäten mangelt.

Ich finde, diese Vorfälle machen vor allem deutlich, dass der Fokus der Mission noch stärker auf die Wahrung der Menschenrechte gelegt werden muss ganz besonders im Hinblick auf die südsudanesische Armee und Polizei.

 

Meine Damen und Herren, Staatsgründungen geschehen nun einmal nicht am Reißbrett. Leider! Ich finde, ein echter Wille zur Unterstützung zeichnet sich dadurch aus, dass man nicht aufgibt, wenn es Rückschläge gibt und wenn einmal etwas nicht nach Plan läuft. Ich glaube, wir helfen den Menschen im Südsudan am besten und am meisten, wenn wir unsere Unterstützung ernsthaft, langfristig, verlässlich, aber eben auch kritisch gestalten. Das gilt besonders im Hinblick auf die Parlaments- und Präsidentenwahlen in 2015; denn, um bei dem Bild von Hilde Johnson zu bleiben: Damit der Südsudan am Scheideweg die Richtung hin zu einem funktionierenden Staat einschlägt, braucht es auch weiterhin eine starke Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft. Wir Grüne begrüßen daher die breite Mehrheit für das UNMISS-Mandat hier im Bundestag und werden ihm auch zustimmen.

 

Der heutige Sitzungstag findet auf Antrag der Grünen-Bundestagsfraktion statt. Weil sich Union und SPD hier gemeinsamen Lösungen versperrt haben, haben wir noch keinen wirklich arbeitsfähigen Bundestag. Bei den Reden von Herrn Oppermann und Herrn Grosse-Brömer vorhin konnte man den Eindruck gewinnen, das sei nicht weiter schlimm, das sei vielleicht sogar ganz lustig. - Ich finde es bedauerlich, dass wir bei Mandaten über die Entsendung der Bundeswehr statt der üblichen zwei Debatten im Parlament und intensiver Ausschussberatung nur die heutige Debatte, verbunden mit einer Sofortabstimmung, haben. Ich halte das für falsch.

Denn die Entscheidungen über Auslandseinsätze sind immer schwierig. Sie rühren, finde ich, mit am meisten an Herz und Gewissen der Abgeordneten. Ich glaube, dass wir dazu bestimmt nicht weniger, sondern tendenziell eher mehr Debatten und Diskussionen brauchen.

Das gilt nicht nur für die Debatten hier im Parlament, sondern auch für die Berichterstattungen der Medien. Gerade wenn es um Friedensmissionen der Vereinten Nationen geht, sucht man Meldungen und Berichte darüber häufig vergebens. Ich finde, diese Aufmerksamkeit haben nicht nur die Menschen verdient, die an eine friedliche Zukunft im Südsudan glauben, sondern vor allem auch die zivilen und militärischen Kräfte, die wir unter diesen schwierigen Bedingungen in einen Einsatz mit großen Herausforderungen schicken. Ihnen gilt auch unser Dank.

 

Vielen Dank.