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Rede zur Verlängerung und Ausweitung des Anti-IS-Einsatzes

 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

 

Wir erinnern uns alle an die schrecklichen Anschläge vor fast einem Jahr in Paris. Damals hat die deutsche Bundesregierung auch als Antwort darauf dieses Mandat zur Bekämpfung des selbsternannten „Islamischen Staates“ durch den Bundestag gejagt.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grüne haben uns vor einem Jahr diese Entscheidung nicht einfach gemacht. Wir haben sehr ernsthaft und sehr sorgfältig abgewogen. Wir blicken natürlich alle nach Mossul. Wir wünschen uns alle eine Stadt, die endlich befreit ist vom Terrorregime des sogenannten „Islamischen Staates“. Aber wir schauen auch mit sehr viel Sorge darauf, was danach kommt. Die Entscheidung aus Solidarität und Betroffenheit gegenüber den Menschen, die unter Terror leiden, reicht als Grundlage für einen militärischen Einsatz noch nicht aus. Eines muss uns auch klar sein: Im allerbesten Fall können militärische und polizeiliche Mittel dazu beitragen, Terror einzudämmen. Besiegen kann man Terrorismus aber am Ende des Tages nur politisch.

 

Hier sind wir bei der Frage, was an diesem Einsatz die Grundproblematik ist. Es fehlt dieser Allianz ein politischer Fahrplan, der von allen getragen wird, eine umfassende Strategie, die mehr ist als nur militärisches Vorgehen und Luftschläge. Es ist doch nach wie vor ein zentrales und ungelöstes Riesenproblem, dass nicht nur die Staaten in der Region, sondern auch die Staaten in dieser Allianz so unterschiedliche, teilweise hochwidersprüchliche Eigeninteressen verfolgen, auch auf Kosten der Menschen in Syrien und im Irak. Das muss endlich aufhören.

 

Der Kampf gegen die Kurden seitens der Türkei ist schon angesprochen worden. Da fragt man sich schon: Wo ist die deutsche Rolle? Wo ist das Engagement, um diese gefährliche Planlosigkeit und diese Gewalt zu beenden und zu thematisieren?

 

Diese Fragen stellen sich auch praktisch im Rahmen dieses Einsatzes. Die Bundesregierung weiß nicht Herr Brauksiepe, das haben wir aus Ihrem Haus schwarz auf weiß , wofür die deutschen Aufklärungsdaten im Anschluss im Einzelnen verwendet werden. Meine Damen und Herren, wer Aufklärungsdaten liefert, muss doch den Anspruch haben, mitzureden und zu wissen, was im Anschluss damit passiert. Aber auch die rechtliche Konstruktion dieses Einsatzes ist hochproblematisch; denn sie steht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Die Bundeswehr darf im Ausland militärische Gewalt nur im Rahmen von Systemen kollektiver Sicherheit ausüben. Da geht es um die Europäische Union, um die NATO oder daran denken wir Grüne immer als Erstes um die Vereinten Nationen. Die Bundesregierung versucht bei diesem Mandat in einer abenteuerlichen Argumentation über zwei Seiten zu behaupten, dass das hier der Fall sei. Das ist es aber nicht. Fakt ist: Die Bundeswehr wird im Rahmen einer Koalition der Willigen eingesetzt.

Meine Damen und Herren, Sie hatten jetzt ein Jahr Zeit, diesen fundamentalen Fehler zu heilen. Es ist nichts passiert. Warum nicht? Weil die Bundesregierung das nämlich gar nicht will. Nachzulesen ist das im neuen Weißbuch: Diese Konstruktion soll es nicht nur in diesem Einzelfall geben, in dem sie aus der Not geboren wurde, sondern es ist Ihr erklärter Wille, das Modell der Koalition der Willigen in Zukunft bei Bundeswehreinsätzen anzuwenden. Das halten wir für grundfalsch,

 

nicht nur, weil Sie damit gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes verstoßen, sondern auch, weil Sie damit effektiv dazu beitragen, dass internationale Organisationen, vor allem die Vereinten Nationen, geschwächt werden. Das, meine Damen und Herren, ist doch genau das Gegenteil von dem, was wir gerade nicht nur angesichts der schrecklichen Lage in Syrien und im Irak, sondern auch an vielen anderen Orten der Welt brauchen, nämlich handlungsfähige und starke internationale Organisationen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will mich gar nicht hierhin stellen und von der Bundesregierung die Patentlösung, den Masterplan fordern, wie endlich die schreckliche Gewalt in Syrien und im Irak aufhören kann. Aber ich frage Sie auf der Regierungsbank, auch Sie, Herr Außenminister Steinmeier: Sind wir nicht verpflichtet, alles zu tun, was wir können, um das unermessliche Leid der Menschen in Syrien und im Irak wenigstens ein bisschen zu lindern?

Ja, man kann noch mehr tun, als derzeit getan wird. Es gibt Gebiete in Syrien, die seit ewiger Zeit eingekesselt sind. Es gibt über Land keinen Zugang mehr für humanitäre Güter. Die Vereinten Nationen haben in der Vergangenheit in solchen Fällen punktuell eine Versorgung aus der Luft durchgeführt. Sie flehen seit Monaten ihre Mitgliedstaaten an, sie dabei dringend zu unterstützen. Da geht es um die Frage des diplomatischen Drucks gegen die Staaten, die im syrischen Luftraum sind, genauso wie um die Frage der technischen Kapazitäten.

Wir Grüne bringen heute Abend hierzu einen Antrag in den Bundestag ein, und ich bin sehr gespannt, wie Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, dazu verhalten werden. Das, meine Damen und Herren, verstehe ich wirklich nicht: Warum braucht die Bundesregierung nicht einmal einen Monat, um militärische Flugzeuge auf den Weg zu bringen, während sie seit Monaten nach Ausflüchten sucht, wenn wir sie immer wieder nach der Luftbrücke fragen? Ich finde, wir müssen alles tun, was wir tun können, um das unermessliche Leid wenigstens ein bisschen zu lindern.