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Rede zur zweiten und dritten Lesung des Bundeswehrreform-Begleitgesetzes

 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Wir sind uns einig: Die Reform der Bundeswehr ist ein notwendiger und in weiten Teilen längst überfälliger Schritt. Vom Erfolg dieser Reform wird abhängen, wer mit welchen Fähigkeiten und mit welcher Motivation künftig zur Bundeswehr kommt. Das ist ganz entscheidend. Schließlich wollen wir alle nicht nur zahlenmäßig genug Bewerber und auch Bewerberinnen haben; wir wollen auch, dass die Bundeswehr ein Spiegel der Gesellschaft bleibt: pluralistisch und demokratisch.

Das Gesetz, das heute zur Abstimmung steht, prägt diese Reform ganz maßgeblich. Mit diesem Gesetz soll der umfassende Personalabbau sozialverträglich gestaltet werden; mit diesem Gesetz soll die Bundeswehr kleiner und attraktiver werden. Das sind wesentliche Voraussetzungen für den Erfolg der Reform, den auch wir Grüne wollen.

Herr Minister, die entscheidende Frage ist doch: Haben Sie genug für die Attraktivität der Bundeswehr getan – mit diesem Gesetz, aber auch darüber hinaus? Da habe ich meine Zweifel. Nehmen wir ein Beispiel, das für die Bundeswehrangehörigen ausgesprochen wichtig ist – gerade für die jungen Menschen – und für den Dienstherrn daher nicht weniger Priorität haben

sollte: die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In diesem Bereich besteht erheblicher Nachholbedarf. Die Regierung hat eigentlich versprochen, hier umfassend zu liefern.

Konkret haben Sie unabhängig von diesem Gesetz die Einrichtung von 300 Eltern-Kind-Zimmern angewiesen. 120 davon sind bereits eingerichtet. Das hört sich zwar nett an; aber ohne Verbesserungen der Arbeitsstrukturen, die erst die Nutzung solcher Räumlichkeiten ermöglichen, ist das eine leere Symbolmaßnahme.

Sie haben mit dem Gesetz zum Beispiel einen Anspruch auf Kinderbetreuung während der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen geschaffen. Auch das ist gut und längst überfällig. Aber zusammengenommen ist das immer noch so, als würden Sie versuchen, mit einer Pipette den Garten zu gießen. Die Soldatinnen und Soldaten brauchen keine Symbolpolitik, sondern grundlegende und umfassende Verbesserungen. Verlässliche Planungen, längere Stehzeiten an einem Standort, flächendeckende Betreuung für Kinder – das sind nur einige Beispiele für die bestehenden Herausforderungen, die Sie nicht angehen.

Ein weiteres Beispiel ist die Erhöhung des Frauenanteils. Da widerspreche ich ausdrücklich dem Kollegen Koch, für den das eine Remilitarisierung darstellt. Den Bedarf an Nachwuchs, vor allem auch an hochqualifizierten Fachkräften, werden Sie auf Dauer nur decken können, wenn auch mehr Frauen bereit sind, zur Bundeswehr zu gehen.

Dazu hören wir von Ihnen derzeit außer schönen Worten nichts. Wir haben Ihnen in einem eigenen Antrag eine Reihe von Vorschlägen gemacht und laden Sie herzlich ein, dem nachher zuzustimmen. Insgesamt untergraben aber nicht nur die fehlenden Maßnahmen zur Verbesserung der Attraktivität die Erfolgschancen der Reform; auch die Art und Weise Ihres Vorgehens ist alles andere als hilfreich. Sie bemühen sich verzweifelt, das Bild eines wohlgeordneten und durchdachten Prozesses zu beschreiben.

Doch was wir auf den letzten Metern der Beratungen über diesen Gesetzentwurf erleben durften, ist bezeichnend für den gesamten bisherigen Ablauf der Reform: Über die Presseverteiler wurde da von der Unionsfraktion schon der erfolgreiche Abschluss der Beratungen verkündet. Aber noch am gleichen Tag war klar, dass in Ihrer eigenen Fraktion noch nicht alle Fragen geklärt waren, und das ganze Gesetz ging zurück an den Ausschuss. Dieses Hin und Her zieht sich durch den ganzen Reformprozess. In der Abstimmung zwischen den Ministerien wurde Ihr ursprünglicher Gesetzentwurf zum Zankapfel und in jeder Hinsicht zerrupft und zerfleddert. Wie bei vielen Fragen zeigt sich auch bei dieser Reform die tiefe Uneinigkeit der Bundesregierung. Sie verschieben Ihre Konflikte einfach ins Parlament, das dann die gröbsten Schnitzer ausbügeln soll.

Für die Betroffenen bedeutet diese chaotische Vorgehensweise vor allem ein massives Auf und Ab. Eine grundlegende Verunsicherung wird zum ständigen Begleiter. Die Soldatinnen und Soldaten und auch die zivilen Mitarbeiter sind doch kein Spielball der regierungsinternen Streitereien.

So kann eine Mitnahme der betroffenen Menschen einfach nicht gelingen, und das, meine Damen und Herren, ist eine der größten Schwächen des Reformprozesses. Was das Bundeswehrreform-Begleitgesetz im Konkreten

betrifft: Im Verlauf des Beratungsprozesses wurden erhebliche Schwächen angesprochen. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben sich da durchaus bewegt, ein wenig zumindest, aber auch nicht weit genug.

Bei anderen Gesetzen, die die Bundeswehr betreffen, haben Koalition und Opposition in den vergangenen Jahren konstruktiv zusammengearbeitet. Hier haben Sie eine solche Zusammenarbeit nicht wirklich verfolgt. Vor wenigen Wochen haben Sie hier im Plenum vollmundig eine gemeinsame Arbeit an diesem Gesetz angekündigt. Das waren allerdings leere Versprechungen. Sie haben unsere Anträge im Ausschuss einfach niedergestimmt. Das ist angesichts der Rolle der Bundeswehr als Armee des gesamten Parlaments wirklich bedauerlich. Wir laden Sie jetzt noch einmal ein, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen, mit dem wir eine Reihe von Vorschlägen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und der Attraktivität der Bundeswehr machen.

Das Gesetz ist jedenfalls immer noch keine runde Sache, auch wenn wir das Ziel einer kleineren und attraktiveren Bundeswehr teilen. Ich will zum Abschluss noch einmal die drei wesentlichen Kritikpunkte nennen: Mit den vorgeschlagenen Instrumenten werden Sie erstens die Zielstruktur nicht erreichen. Sie werden zweitens die Attraktivität des Arbeitgebers Bundeswehr nicht wirklich verbessern. Das Gesetz ist damit drittens ein weiterer Beitrag zur Verschleppung der Probleme statt zu ihrer Lösung. Darum können wir dem nicht zustimmen.

Vielen Dank.