Agnieszka Brugger agnieszka-brugger.de
Reden und Videos
Rede zu Rüstungsexportgenehmigungen
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt kaum einen Bereich in der deutschen Politik, wo das, was eine Bundesregierung immer wieder beteuert und erklärt, so sehr mit dem auseinanderklafft, was sie wirklich tut, wie bei den Rüstungsexporten.
Ich kann Ihnen von grüner Seite aus eines versprechen: Wir werden uns nicht von Ihren Sonntagsreden einlullen lassen, und wir lassen uns auch nicht von der Selbstgefälligkeit der Großen Koalition entmutigen, sondern wir werden Ihnen im Bereich der Rüstungsexporte und Waffengeschäfte sehr gründlich auf die Finger schauen und immer wieder Licht ins Dunkel bringen.
In ihrem Koalitionsvertrag schreiben Union und SPD, dass sie sich natürlich zu einer restriktiven deutschen Rüstungsexportpolitik bekennen, dass sie die deutschen Rüstungsexportrichtlinien als verbindlich und handlungsleitend für ihre Entscheidungen betrachten. Es wäre schön, wenn es so wäre.
Wir können gern einmal ganz konkret einen Blick in die Rüstungsexportrichtlinien werfen. Dort stehen sehr gute Formulierungen. Dort steht zum Beispiel bezüglich Kriegswaffenlieferungen an Drittstaaten, dass Exporte in Staaten, die nicht Mitglieder der EU oder der NATO sind, eigentlich nicht genehmigt werden dürfen und nur genehmigt werden können, wenn besondere außen- und sicherheitspolitische Gründe dafür sprechen. Weiter steht in den Richtlinien: „Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen.“ Die Menschenrechtslage im Empfängerstaat ist als entscheidendes Kriterium in den Richtlinien verankert.
Wenn wir jetzt diese guten Grundsätze einmal mit der Realität und den Zahlen abgleichen, ergibt sich ein ziemlich hässliches Bild und zeigt sich eine riesige Lücke. Die Rüstungsexporte an Drittstaaten haben sich in den letzten Jahren von der Finanzsumme her fast verdoppelt, die Tendenz ist steigend. Der aktuellste uns vorliegende Rüstungsexportbericht aus dem Jahr 2012 besagt, dass 55 Prozent der deutschen Rüstungsexporte an Drittstaaten gegangen sind. Ich kann da nur sagen: Solche Exporte sind offensichtlich nicht mehr die Ausnahme, sondern sind zu einer sehr bedenklichen Regel geworden.
Meine Damen und Herren, die ersten Zahlen für 2013, die wir bisher gesehen haben, sind noch krasser. Unter Kanzlerin Merkel hat Schwarz-Gelb eine richtige Rüstungsexportoffensive gestartet. Aber auch die Große Koalition ist in ihren ersten Monaten kaum besser. Von Januar bis April dieses Jahres das konnten wir jüngst nachlesen sind noch mehr Waffen in Länder geliefert worden, die nicht Mitglied der NATO und nicht Mitglied der EU sind, als unter Schwarz-Gelb im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Auch das spricht natürlich Bände.
Wirtschaftsminister Gabriel sagt: Das waren alles meine bösen Vorgänger; das geht auf deren Konto. - Auch an dieser Stelle schauen wir als Grüne ganz genau hin. Ich muss Ihnen sagen: Auch das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Die Bundesregierung vertritt ja neuerdings die Position, dass positiv beschiedene Voranfragen keinerlei Rechtsverbindlichkeit haben; diesen Teil können Sie ja dann schon einmal komplett zurücknehmen. Aber ich muss Ihnen auch sagen: Auch endgültig erteilte Genehmigungen kann man wiederrufen, und Verträge kann man kündigen, wenn man das tun möchte. Wenn Ihr Engagement für Frieden und Sicherheit und das Engagement von Herrn Gabriel mehr sind als schöne Pressestatements, dann lassen Sie Ihren Worten doch einfach Taten folgen, und nehmen Sie einen Großteil dieser Rüstungsexporte einfach wieder vom Tisch.
Meine Damen und Herren von der SPD, Ihnen wird nicht mehr lange die Möglichkeit bleiben, sich hinter schwarz-gelben Waffengeschäften zu verstecken. Denn irgendwann müssen auch Sie einmal sagen, was eigentlich aus Ihrer Wahlkampfforderung, die Panzerlieferung nach Saudi-Arabien zu stoppen, geworden ist.
Aber ich will nicht immer nur die SPD kritisieren; denn bei Ihnen stimmt ja wenigstens die Rhetorik. Bei der Union ist es noch schlimmer; Sie haben das hier sehr klar offenbart. Auch Ihre Kanzlerin ist in diesem Punkt sehr deutlich bzw. eben nicht deutlich. Sie spricht von der Ertüchtigung von Partnerstaaten. Herr Pfeiffer, ich muss Sie enttäuschen: Sie meint damit nicht die Lieferung von Minensuchgeräten an Saudi-Arabien, sondern sie meint Waffenlieferungen an den Machthaber in einem Land, in dem Menschenrechte mit Füßen getreten werden, das im Nachbarland friedliche Proteste mit Panzern niedergeschlagen hat und das dazu beiträgt, dass der Konflikt in Syrien noch blutiger wird. Das ist die Wahrheit. Das, was Sie hier erzählt haben - es würde um Minensuchgeräte gehen -, ist nicht die Wahrheit.
Auch der Kollege Otte, der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, macht keinen Hehl aus seinen Überzeugungen. Er befindet sich dabei im offenen Widerspruch zu den deutschen Rüstungsexportrichtlinien. Er argumentiert mit dem Arbeitsplatzerhalt. Ich kann Ihnen an dieser Stelle sagen: Für mich kann der Profit eines einzelnen Unternehmens nicht rechtfertigen, dass man in einem Land zu Menschenrechtsverletzungen beiträgt.
Meine Damen und Herren, kehren Sie diesen zynischen Trend der letzten Jahre, immer mehr Rüstungsgüter und Waffen an Drittstaaten zu liefern, sehr schnell um! Es ist einfach brandgefährlich, Waffen an autokratische Regime zu liefern. Es ist auch sicherheitspolitisch irrsinnig. Am Ende riskiert man, dass man sich im Fall des Falles auch an Verbrechen mitschuldig macht.
Ich habe ein zweites Versprechen für Sie - auch hier wird es in den nächsten Jahren nicht bequem -: Wir Grüne werden nicht müde werden, weiter für einen radikalen Kurswechsel zu kämpfen: für eine Rückkehr zu einer wertegeleiteten Außenpolitik und eine Abkehr von einer Wirtschaftspolitik, die Frieden und Sicherheit, Stabilität und Menschenrechte auf der Welt gefährdet.
Vielen Dank.