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Reden und Videos

Rede zum Bundeswehreinsatz in Mali (MINUSMA)

 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann ihn nicht mehr hören und lesen, diesen Vergleich zwischen Mali und Afghanistan. Ich finde ihn ignorant, ich finde ihn populistisch und auch falsch.

Bei allem Verständnis dafür, dass man in der politischen Debatte auch mal zuspitzen muss: Man kann doch nicht eine Friedensmission der Vereinten Nationen unter ziviler Leitung mit starken zivilen und polizeilichen Elementen, deren Auftrag es ist, die Umsetzung eines Friedensabkommens zu überwachen und einen Versöhnungsprozess zu begleiten, mit dem Label „Krieg“ versehen, sie als Konfliktpartei bezeichnen und mit einer NATO-Mission in Afghanistan vergleichen, die in ihrer schärfsten Phase Terroristen bekämpft hat.

Es wäre ja wünschenswert, dass es in Afghanistan auch ein Friedensabkommen gibt, dass man überwachen könnte; aber in Mali gibt es das, und das ist doch ein zentraler Unterschied. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Ich will nichts schönreden. Die Lage in Mali ist alles andere als gut und rosig. Das zeigen die hohe Zahl von Todesopfern und die vielen grausamen Anschläge, die dort von extremistischen Gruppierungen verübt werden, die gerade diesen Friedensprozess torpedieren und zerstören wollen. Aber auch die malische Regierung, ihr nahestehenden Milizen und die Rebellengruppen aus dem Norden spielen immer wieder auf Zeit. Sie suchen den eigenen Vorteil und versuchen, sich ein Stück weit aus diesem Friedensabkommen herauszubewegen. Das kennen wir doch auch aus anderen Konflikten. Am Verhandlungstisch bekennen sich alle Konfliktparteien natürlich immer zu den Vereinbarungen; aber wenn es konkret wird, versuchen sie, auszuweichen. Da leistet die Bundeswehr mit ihren Aufklärungsfähigkeiten einen unheimlich wichtigen Beitrag, indem sie genau überprüft: Wer hat wann welchen Verstoß gegen dieses Friedensabkommen begangen? Das ist wirklich ganz zentral, damit diese Mission Erfolg haben kann.

Mit dem neuen Mandat, das wir heute hier beraten, werden auch zusätzliche Hubschrauber bereitgestellt. Das ist notwendig geworden, weil die Niederländer diese Fähigkeiten aus der Mission abgezogen habenabziehen. Es geht darum, dass die Konvois, die ja immer wieder Ziel von Angriffen werden, geschützt werden. Es geht aber auch darum, Verwundete transportieren und retten zu können. Ich bin mir sicher, dass hier parteiübergreifend kein Abgeordneter einem Einsatz zustimmen würde, bei dem die Rettungskette für die Soldatinnen und Soldaten nicht gesichert ist. Auch von daher ist es richtig, dass Deutschland sich bereit erklärt hat, diese Mission in Zukunft mit dieser sehr kritischen Fähigkeit zu unterstützen.

Ich würde mir wünschen - das ist auch angesichts der dramatischen Materiallage bei den deutschen Hubschraubern wichtig -, dass auch andere westliche Nationen qualifiziertes Personal und mehr Hochwertfähigkeiten zur Verfügung stellten, damit die Friedensmissionen der Vereinten Nationen ihre Aufträge in vielen Krisengebieten dieser Welt wirklich erfüllen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so falsch ich diesen simplen Vergleich mit Afghanistan finde, so wichtig und richtig ist es doch, Lehren aus den Fehlern zu ziehen, die man in Afghanistan gemacht hat, und diese Fehler in anderen Einsätzen nicht zu wiederholen. Ich will auf zwei Beispiele eingehen: Ich glaube, das Beispiel Afghanistan hat gezeigt, wie wichtig es ist, auf den politischen Prozess zu achten, da und in diesen unheimlich viel zu investieren. Am Ende kann man Konflikte eben nicht mit Militär, nicht mit Soldatinnen und Soldaten lösen. Dazu bedarf es einer besseren Abstimmung der vielen Akteure in Mali, und es braucht auch mehr Druck, um alle Konfliktparteien in die Pflicht zu nehmen, damit sie sich an dieses Friedensabkommen halten. Ich wundere mich schon ein bisschen über die Bundesregierung, die auf einmal große Kraft entfalten und Druck ausüben kann, wenn es um Fragen von Migration und Rücknahmeabkommen geht, aber leise auftritt, wenn es beispielsweise darum geht, Korruptionsbekämpfung oder die Umsetzung des Friedensprozesses einzufordern.

Man kann Fluchtursachen auch nicht mit den härtesten Rücknahmeabkommen bekämpfen, sondern nur, indem man alles tut, um bestimmte Voraussetzungen für Sicherheit, Stabilität und Frieden in der Konfliktregion herzustellen. Eine Lehre aus Afghanistan ist für mich Folgendes: Es gibt nie eine Erfolgsgarantie für einen Einsatz. Deshalb beraten wir ja auch Jahr für Jahr über die Mandate. Das darf auch nicht zu einem reinen Selbstzweck werden, sondern wir müssen Jahr für Jahr immer wieder prüfen: Wie sieht denn die Lage aus? Wie groß ist denn die Chance? Gibt es noch ein Zeitfenster für eine politische Lösung? Denn am Ende des Tages können wir die Akteure vor Ort nicht dazu zwingen, einen Friedensprozess durchzuführen. Wir können sie dabei nur unterstützen und in die Pflicht nehmen. Ich glaube, es gibt noch eine Chance in Mali. Es gibt noch einen Hoffnungsschimmer. Ohne die Friedensmission der Vereinten Nationen würde es dieses Friedensabkommen wahrscheinlich überhaupt nicht geben. Es gäbe niemanden, der die Konfliktparteien in die Pflicht nimmt. Das Zeitfenster für einen Versöhnungsprozess, für eine politische Lösung wäre viel kleiner. Deshalb werden wir Grüne dieser Mission heute mit großer Mehrheit zustimmen.