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Rede zum OSZE-Vorsitz

01.10.2015

Rede zum OSZE-Vorsitz

 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ist eine großartige und einzigartige Institution. Sie hat in der Vergangenheit Unglaubliches geleistet und auch Unmögliches möglich gemacht. Seit ihrer Geburtsstunde mit der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki 1975 ist es nicht nur gelungen, die Beziehungen zwischen Ost und West zu verbessern, die Kriegsgefahr zu vermindern und die Abrüstungsschritte der nächsten Jahre überhaupt erst möglich zu machen, sondern sie hat auch mit ihren zahlreichen Instrumenten in den darauffolgenden Jahrzehnten in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte, zivile Krisenprävention, Wahlbeobachtung Unverzichtbares auf den Weg gebracht.

Die OSZE war ihrer Zeit weit voraus und dachte Sicherheit nicht nur als Sicherheit von Staaten, sondern als Sicherheit von Menschen, was für uns heute selbstverständlich ist. Dieser multinationale Sicherheitsbegriff, der die politisch-militärische Dimension, wirtschaftliche und ökologische Perspektiven vereint und mit den Menschenrechten verbindet, ist heute angesichts vieler Krisen aktueller denn je.

Umso verwunderlicher ist es, dass in der Debatte um die neue deutsche Verantwortung in der Außen- und Sicherheitspolitik so viel über die NATO und die EU und schon viel zu wenig über die Vereinten Nationen gesprochen wird, aber über die OSZE geschwiegen wird. Die OSZE gehört in den Mittelpunkt dieser Debatte. Der deutsche Vorsitz nächstes Jahr bietet die Gelegenheit, das in die Tat umzusetzen. Gleichzeitig liegen große Herausforderungen vor der OSZE, aber auch für Deutschland als vorsitzenden Staat. Nun gilt es, diese Herausforderungen tatkräftig mit neuen Ideen anzugehen.

Meine Damen und Herren, die OSZE ist in der Krise, weil eine Organisation immer nur so gut und so stark ist, wie ihre Mitgliedstaaten das wollen und wie gut und stark sie sich selber einbringen. Es gibt leider viel zu viele Mitgliedstaaten, die nicht genug tun, und es gibt einige, die die OSZE boykottieren oder auch torpedieren. Ich möchte jetzt gar nicht über Russland und die Ukraine-Krise sprechen, sondern ein anderes Beispiel herausgreifen. Aserbeidschan will die OSZE im Bereich Menschenrechte und Wahlbeobachtung zur Marionette der dortigen Regierung machen. Ich finde es gut und richtig, dass die OSZE zu so etwas klar Nein sagt.

 

Für den deutschen Vorsitz gibt es aus meiner Sicht zwei zentrale Handlungsfelder. Das erste liegt im Bereich Abrüstung und Rüstungskontrolle. Die OSZE hat die unheimlich wichtige Aufgabe, angesichts der verschlechterten Sicherheitslage in Europa, dem gegenseitigen Aufrüsten auf beiden Seiten und dem verbalen Machtgehabe, in dem auf einmal schlimmerweise Nuklearwaffen wieder eine Rolle spielen, Vertrauen und Transparenz zu schaffen. Dazu gehören die Modernisierung des Wiener Dokuments und die Stärkung der gemeinen Überwachungsflüge unter dem Open-Skies-Vertrag. Dazu gehört aber vor allem auch mehr ehrlicher Austausch über Manöver und Übungen. Denn die wahre Gefahr aktuell ist doch nicht, wie es manchmal diskutiert wird, dass Russland einen NATO-Mitgliedstaat angreift, sondern viel wahrscheinlicher ist, dass bei den zahlreichen Übungen und Manövern vielleicht einmal etwas unbeabsichtigt passieren könnte.

Abrüstung und Rüstungskontrolle sind keine Schönwetterthemen. Sie sind gerade in solchen schwierigen Zeiten wichtiger und relevanter denn je.

 

Die zweite Herausforderung sehen wir in der Ukraine. Die OSZE hat die unheimlich wichtige und extrem schwierige Aufgabe, die Umsetzung des Minsker Abkommens und den Waffenstillstand zu überwachen. Sie kann diese Aufgabe mit ihren zwei Missionen nicht erfüllen. Das liegt daran, dass den Beobachterinnen und Beobachtern immer wieder der Zutritt zu den entscheidenden Gebieten in der Ostukraine versagt wird. Das ist untragbar. Gleichzeitig setzen sich die Beobachterinnen und Beobachter dieser Mission einem großen Risiko aus. Es ist auch schon zu einigen Entführungen gekommen.

Der Generalsekretär der OSZE, aber auch eine Expertengruppe haben hierzu Vorschläge vorgelegt, wie man die Handlungsfähigkeit solcher Missionen stärken und den Schutz der Menschen verbessern kann, die diese Aufgabe übernehmen. Diese gilt es, jetzt unideologisch zu diskutieren, aber auch sehr sorgsam zu prüfen, wenn es beispielsweise um die Frage von robusteren Schutzkomponenten geht. Aber wir haben die Pflicht, dafür zu sorgen, die Menschen, die diesen Auftrag übernehmen, so zu befähigen, dass sie ihn erfüllen zu können, und sie gut zu schützen.

 

Meine Damen und Herren, die Aufgaben sind nicht einfach, aber es lohnt sich, sie anzupacken. Herr Kollege Klimke, ich freue mich und sehe es ganz genauso wie Sie. Ich glaube, wir haben eine große Einigkeit von der einen bis zur anderen Seite des Hauses. Vielleicht können wir diese Debatte als Auftakt nutzen und aus den drei Anträgen, die dann auf dem Tisch liegen, einen gemeinsamen Antrag machen, um so der Bundesregierung den Rücken zu stärken, damit sie mit dem deutschen Vorsitz die OSZE stärken kann.