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Rede zur Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen

 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist entschlossen: Sie will so bald wie möglich waffenfähige Drohnen für die Bundeswehr. Für den Verteidigungsminister scheint es zwingend zu sein, bei jeder militärtechnologischen Entwicklung mithalten zu müssen, um bloß nicht den Anschluss zu verpassen.

(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): So ist es!)

Aber es ist keine Zwangsläufigkeit, dass Deutschland bei der Entwicklung und beim Einsatz von jedem neuen Waffensystem dabei sein muss.

Herr Minister, Sie wollten hier den Eindruck erwecken, Sie arbeiteten abgeklärt und präzise die ganzen Argumente derjenigen ab, die große Vorbehalte haben, was Drohnen angeht. Ich finde, Sie haben ein ganz entscheidendes Argument offensichtlich nicht verstanden, nämlich, dass der Einsatz bewaffneter Drohnen massive Auswirkungen auf die Kriegsführung hat. Die Hemmschwelle zur Anwendung militärischer Gewalt kann dadurch drastisch sinken, und die berechtigte Zurückhaltung bei den politischen Entscheidungen über Militäreinsätze wird beeinträchtigt. Davor können Sie nicht einfach die Augen verschließen, auch wenn Sie selbst beteuern, dieser Dynamik der Gewalt widerstehen zu wollen; denn politisches und militärisches Handeln wird nicht nur von Absichten und Interessen, sondern auch von den zur Verfügung stehenden Fähigkeiten bestimmt. Daher ist immer größte Skepsis geboten, wenn es um Aufrüstung geht, und   ja   auch und gerade Skepsis gegenüber sich selbst.

Wie schnell so ein Meinungsumschwung vonstatten geht, sieht man sehr gut in den USA. Als Israel im Jahr 2000 während der zweiten Intifada zum ersten Mal durch den Einsatz bewaffneter Drohnen Personen gezielt tötete, hat das die damalige US-Regierung als illegitim verurteilt. Heute dagegen sind gezielte Tötungen durch Drohnenangriffe das Mittel der Wahl für den Friedensnobelpreisträger Obama - im Antiterrorkampf in Pakistan, im Jemen und in Somalia. Die Zahl dieser völkerrechtswidrigen Angriffe, die auch viele zivile Opfer fordern, ist während seiner Präsidentschaft massiv nach oben geschnellt.

(Andrej Hunko (DIE LINKE): So ist es!)

Schnell ist so die kritische Haltung der amerikanischen Politik und der amerikanischen Gesellschaft verraucht. Sehr schnell ist man der Versuchung erlegen, seine Gegner lieber bequem, einfach und anonym auszuschalten   Völkerrecht hin oder her.

Die entscheidende Frage lautet doch: Wofür braucht denn die Bundeswehr, die bereits über Aufklärungsdrohnen verfügt, angeblich so dringend bewaffnete Systeme?

(Zuruf von der LINKEN: Will mitspielen!)

In ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage liefert Schwarz-Gelb darauf eine haarsträubende Antwort. „Zur Abschreckung“, heißt es da ganz allgemein und offiziell. Diese Begründung aus der rhetorischen Mottenkiste des Kalten Krieges ist doch wirklich abstrus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Ingo Gädechens (CDU/CSU): Warum?)

Das erkläre ich Ihnen gerne. In Wirklichkeit schrecken Drohnenangriffe nicht ab, sondern tragen im Gegenteil massiv zur Eskalation und Radikalisierung in Konflikten bei.

(Florian Hahn (CDU/CSU): Ursache und Wirkung umgedreht!)

Es gibt Studien renommierter Universitäten, die zeigen, dass durch die von den USA in Afghanistan und Pakistan durchgeführten Drohnenangriffe der Extremismus befeuert und die Rekrutierung neuer Kämpfer stark befördert wird.

(Zuruf von der CDU/CSU: Kaffeesatzleserei! Gegenruf des Abg. Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Studienleserei! Das kennen Sie nicht!)

Dann lesen Sie einmal die Studien!

Ein weiterer Grund, der für die Beschaffung bewaffneter Drohnen aufgeführt wird, ist der Schutz der Bundeswehrangehörigen durch Luft-Boden-Unterstützung. Ich möchte, Herr Minister, an dieser Stelle eines klarstellen: Als Abgeordnete haben wir eine besondere Verantwortung für den größtmöglichen Schutz der Soldatinnen und Soldaten, die wir als Parlament in den Einsatz schicken.

(Henning Otte (CDU/CSU): Genau deswegen!)

Ich finde es unredlich, dass Sie uns das in Abrede stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich (DIE LINKE) - Ingo Gädechens (CDU/CSU): Tun wir nicht!)

Ich bin aber überhaupt nicht davon überzeugt, dass die Beschaffung bewaffneter Drohnen diesem Zweck dient.

Auf unsere Frage, wie oft deutsche Truppen im Auslandseinsatz Unterstützung durch bewaffnete Drohnen von Verbündeten erhielten, nannte die Bundesregierung genau zwei Fälle in Afghanistan. In beiden Fällen wäre auch der Einsatz der bemannten Luftunterstützung möglich gewesen. Da waren auch keine Leben von deutschen Soldaten gefährdet. Bevor die Koalition Gelder für teure militärische Fähigkeiten freigibt, sollten, nein, müssen Sie zuerst die Frage beantworten, an welchen Einsätzen sich die Bundeswehr in Zukunft beteiligen soll. Darauf hat und gibt diese Bundesregierung keine Antwort.

Dabei ist es mit Blick auf die gravierenden und uns allen bekannten Auswirkungen auf die Kriegsführung umso wichtiger, eine grundlegende gesellschaftliche und friedenspolitische Debatte über den Einsatz dieser automatischen Waffensysteme zu führen, und zwar vor und nicht nach der Entscheidung über die Beschaffung bewaffneter Drohnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau diese Debatte haben wir Grüne in einem eigenen Antrag eingefordert. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben das abgelehnt, und das unter höchst widersprüchlichen Aussagen und ohne eine wirkliche Begründung.

(Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hört! Hört!)

Heute in der Afghanistan-Debatte habe ich aufgehorcht, als Abgeordnete der CDU/CSU, genauso wie Frau Hoff gerade, dann doch wieder eine Diskussion in Bezug auf die Drohnen gefordert haben. Meine Damen und Herren der Koalition, ich nehme Sie jetzt einmal beim Wort.

(Ingo Gädechens (CDU/CSU): Wir stehen am Anfang!)

Wenn Sie das ernst meinen, dann dürfen Sie jetzt die Beschaffung eines zu Recht hochumstrittenen Waffensystems, das zahlreiche ethische, völkerrechtliche und rüstungskontrollpolitische Fragen aufwirft, nicht einfach abnicken. Dann müssen Sie auch vom Kurs dieser schwarz-gelben Regierung Abstand nehmen, die sich offensichtlich schon entschieden hat; denn sie blendet die Risiken und Gefahren dieses neuen Waffensystems aus und hechelt dieser technologischen Entwicklung kopflos hinterher.

(Ingo Gädechens (CDU/CSU): Nein, nein, nein! Alles an den Haaren herbeigezogen!)

Diese verantwortungslose Politik machen jedenfalls wir Grüne nicht mit und erteilen daher Ihren Plänen, waffenfähige Drohnen zu beschaffen, eine klare Absage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Dr. Rolf Mützenich (SPD))